Sie spricht zu uns. Die junge Frau berichtet von ihren Träumen, die den Schlüssel zur Rettung der Welt enthalten. Durch inneren Monolog wird in dunklen, anspielungsreichen Worten ein postapokalyptisches Szenario entworfen. Irgendetwas Fürchterliches muss geschehen sein, was das Gesicht der Erde für immer veränderte. Und schnell ahnen die Zuschauer, dass sie es hier nicht mit einer beliebigen Fantasie zu tun haben. Gleich nach diesem Beginn folgt die Bestätigung: Die Frau reist per Raumschiff in ein völlig zerstörtes, menschenleeres New York. Dort nimmt sie, technisch versiert und mutig, den Kampf mit sonderbar bösen, "Phantome" genannten Wesen auf, um schließlich das einzig dort noch Lebende zu retten: eine Pflanze.
Von allem etwas
Diese erste Viertelstunde von
Final Fantasy gibt im mehrfachen Sinn das Grundmuster der folgenden Geschichte vor. Durchtränkt mit diversen Motiven der europäisch-westlichen Mythologie, angereichert um einige fernöstliche Elemente entwirft der Film im Anschluss an das gleichnamige PC-Spiel eine komplette Science-Fiction-Welt. Man befindet sich im Jahr 2065, einer Zeit, die unserer Gegenwart kaum noch ähnelt, zwar technisch hochstehend, aber ansonsten ein Reich des Schreckens ist. Die schnell etablierte Heldin und Identifikationsfigur ist Dr. Aki Ross, die – intelligent, kampferprobt, schön und vor allem den Männern überlegen – alle Eigenschaften des klassischen Amazonenmythos in sich vereint und überdies ein dunkles Geheimnis in sich trägt.
Schöpfungsmythen
Unterstützt von einer Gruppe Soldaten und einem älteren Wissenschaftler, der zugleich die Rolle eines Ersatzvaters spielt, versucht sie, die außerirdische Infektion der Welt zu bekämpfen: Sie will "acht Geister" vereinen, um so die – dem alt-griechischen Schöpfungsmythos entlehnte – Erdgöttin Gaia zu besänftigen und die Phantome, die einst mit einem Meteor auf die Erde kamen, zu besiegen. Woher dieser innere Auftrag stammt, die Welt bzw. alles Leben zu retten, bleibt bis zum Ende unklar. Man könnte religiöse wie psychoanalytische Erklärungsmuster bemühen, denn Ross erinnert sowohl an einen übermenschlichen, messianischen Charakter – analog etwa zum
Matrix-Helden "Neo" – als auch an das häufig zu findende Motiv der "verwundeten Frau", die durch weit zurückliegende, oft ins Unterbewusstsein verdrängte Ereignisse im Innersten geschädigt ist.
Amazonenträume und Traumata
Ob aus Verantwortungsgefühl, "tieferem Wissen" oder persönlicher Verletzung – Aki Ross ist nicht nur heroisch, dickköpfig, bockig und gut, sondern auch einsam und stark melancholisch, irgendwie nicht ganz von dieser Welt. Auch darin erinnert sie an andere SF-Amazonen wie Lara Croft, die Heldin des Computerspiels "Tomb Raider", die in der entsprechenden Filmversion ebenfalls im Kino zu sehen ist. Oder an Ellen Ripley, die von Sigurney Weaver gespielte, längst klassisch gewordene Hauptfigur der bislang vier
Alien-Folgen. Alle drei werden immer wieder von düsteren Gedanken heimgesucht – was weiblichen Kinofiguren überhaupt erheblich häufiger passiert als ihren männlichen Ebenbildern.
Das Fremde als tödliche Bedrohung
Die Ursachen ihres Traumas treten erst allmählich zutage: Gegen Mitte des Films zeigt sich, dass die bizarren Monster, die die abgeschottet lebenden Reste der Menschheit bedrohen, Aki näher stehen, als erahnt: Sie trägt sie als innere Zeitbombe in sich; findet sie kein Gegenmittel, wird sie daran zugrunde gehen. Zugleich zeigt dies den wesentlichen Unterschied zu einer Figur wie Ripley. Während diese im dritten
Alien-Teil tatsächlich mit dem absolut Fremden verschmilzt und als neue Gattung die Synthese und damit auch eine Versöhnung von Mensch und Alien verkörpert, bleibt das Fremde in Aki immer tödliche Bedrohung, ein von Außen kommendes, tatsächlich "vom Himmel gefallenes", also nicht durch menschliches Fehlverhalten erzeugtes Monster, das bekämpft und schließlich wieder eliminiert werden muss.
Einfache Erlöser-Botschaften ...
So macht die offensichtliche Botschaft von
Final Fantasy, die Aufforderung zu ökologisch korrekter Versöhnung mit der Natur, Halt an der Grenze des menschlichen Körpers, ganz anders etwa als das zu Recht gefeierte Animationsepos
Prinzessin Mononoke. Auch sonst wurde das mythologische Motiv von der Reise des Helden hin zu einer persönlichen wie allgemeinen Erlösung, das die Grundstruktur von
Final Fantasy bildet, schon weitaus besser und differenzierter dargeboten. Stereotype Dialoge und Verhaltensweisen schmälern das Vergnügen erheblich – einmal mehr wird etwa gezeigt, wie das einzige schwarze Mitglied der Soldaten sich selbst für seine weißen Kameraden opfert. Auch das SF-Reservoir der letzten Jahrzehnte plündert der Film hemmungslos. Besonders
Alien und Paul Verhoevens
Starship Troopers gaben ein formales Vorbild ab, allerdings befreit um ihren gegenwartskritischen Gehalt.
... und Pseudo-Spiritualismus
Mit all diesen Mitteln plädiert
Final Fantasy für Antimaterialismus und einen neuen Glauben an Geist und Transzendenz. Warum das der Film will, wäre eine lohnende Frage, über die sich ausführlich diskutieren ließe. Zunächst einmal entdeckt man nur eine x-beliebige pseudo-spirituelle Mischung aus religiösen und mythologischen Versatzstücken, angereichert durch jene Allerweltsesoterik, die schon durch die
Star Wars-Folgen waberte ("Die Macht sei mit dir"). Ihr Kern mischt durchaus zeitgemäß Fatalismus und Optimismus, besteht aus nicht sehr durchdachter Zivilisationskritik und einer naiven Feier von Ursprünglichkeit: Die Großstadt – New York steht einmal mehr für eine Mischung aus Babylon und Megalopolis – ist ein kalter, böser Ort, dessen Zerstörung als nicht weiter bedauernswert erscheint (so wie ihre Bewohner nur als anonyme "Masse" zu sehen sind). Je weiter sich die Helden aus ihr entfernen, desto näher kommen sie dem Urgrund des Lebens, einem tiefen dunklen Erdloch im asiatischen Gebirge. Diese Natur bleibt freilich ein Klischee, eine Projektion von Figuren, die – wie Aki, die sich nur in künstlichen Räumen bewegt – eigentlich ein der Natur recht entfremdetes Leben führen. Sie jagt einer Projektion nach, die umso idealer erscheint, je weniger sie mit der Wirklichkeit zu tun hat. Nur die eigentlich von Zivilisation nicht zu trennende Technik bleibt merkwürdig neutral bewertet, ist letztlich unverzichtbares Hilfsmittel bei der Rettung der Welt.
Gekünstelter Realismus
Solche Unentschiedenheit kann kaum überraschen bei einem Film, der selbst ganz auf Technik beruht. Bekanntlich ist
Final Fantasy der erste vollständige Spielfilm mit ausschließlich digital erschaffenen Darstellern. Verwechseln wird man sie vorerst trotzdem nicht. So großartig die Animation im Einzelnen funktioniert, überwiegt doch der Eindruck dessen, was gegenüber menschlichen Schauspielern fehlt. Mag das Gesicht auch Pickel haben, mögen 60.000 Haare im Computer-Wind wehen, versagt die Nachahmung gerade dort, wo es gilt, Gefühle zu zeigen, wo eine Figur weinen soll, wo ein aseptischer Kuss ausgetauscht wird, bei dem die Lippen nicht aufeinander wollen. Und die Gesichter wirken, als hätten Barbie, Ken und Big Jim Pate gestanden. Im Unterschied zu
Shrek,
Toy Story oder
Prinzessin Mononoke macht
Final Fantasy seine Künstlichkeit nicht wirklich zum Thema, sondern feiert den Realismus der Ähnlichkeit. Gerade an diesem selbst gesetzten technischen Anspruch scheitert der Film. Aber es hat ja auch etwas Beruhigendes, zu wissen, dass man einstweilen noch nicht auf Schauspieler aus Fleisch und Blut verzichten kann.
Autor/in: Rüdiger Suchsland, 01.07.2001