Man könnte sie fast schon klassisch nennen, die Personenkonstellation, mit der Jan Hrebejk in seiner Tragikomödie
Wir müssen zusammenhalten aufwartet. Ein männliches Darstellerdreieck sowie eine Frau, die zwischen den Männern steht, das genügt Hrebejk, um seine Geschichte über Mut und Verzweiflung, Opportunismus und Widerstand zu erzählen. Doch das ist kein Film mit einfachem Gut/Böse-Schema. Zwar gibt es durchaus moralische Kategorien, Hrebejk vermeidet aber eine eindeutige Schwarz/Weiß-Zeichnung seiner Charaktere. So ist der 2001 für den Oscar nominierte Film eine gelungene Parabel auf menschliches Verhalten in Zeiten des Krieges und anderer Extremsituationen.
Beziehungen im Wechsel der Zeiten
Es beginnt mit einem dreifachen Prolog. Zunächst werden die drei männlichen Protagonisten zwei Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gezeigt. David Wiener ist Jude, sein Vater führt einen Betrieb, in dem sowohl der Tscheche Josef als auch der Sudetendeutsche Horst beschäftigt sind, Josef als leitender Angestellter, Horst als Chauffeur. Die drei verbindet ein freundschaftliches Verhältnis. Schon im folgenden, zweiten Teil, wird das Gleichgewicht zwischen den Dreien jedoch erschüttert. Die Familie Davids findet kurz vor Ausbruch des Krieges gerade noch Unterschlupf im leer stehenden Kinderzimmer von Josef und seiner Frau Marie, während Horst Parteikarriere macht. Im letzten Prologteil schließlich wird die Familie Davids nach Theresienstadt deportiert, Josef hat sich in die innere Emigration zurückgezogen, Horst seinen Aufstieg bei den nationalsozialistischen Statthaltern in dem Sudetendeutschen Kleinstädtchen vollendet.
Ein Jude wird versteckt
Die Flucht Davids aus einem polnischen KZ und sein verzweifelter Versuch, in seiner alten Heimat Unterschlupf zu finden, stehen dann am Beginn des Hauptteils. Der zögerliche Josef quartiert David schließlich im Vorratsraum ein, bedrängt von seiner couragiert auftretenden Frau Marie. Horst, der sich in Marie verliebt hat, besucht die beiden, versorgt das Paar mit kleinen Lebensmittelpaketen und scheint sogar zu ahnen, dass Josef ein Geheimnis zu verbergen hat. Eine Zeit lang arrangiert man sich unter den schwierigen Bedingungen. Josef nimmt eine Arbeit bei den Nationalsozialisten vor Ort an, auch um allen Verdacht von sich und Marie abzulenken. Erst als Horsts Nachstellungen zu aufdringlich werden, gerät das Verhältnis der ehemaligen Freunde aus dem Gleichgewicht.
Eine lebensrettende Zeugung
Horst drängt dem befreundeten Paar einen in Ungnade gefallenen Nazi auf, der Wohnraum während des Krieges ist knapp. Marie reagiert mit einer Notlüge: sie sei schwanger und für eine dritte Person im Haushalt kein Platz mehr. Die Sache hat nur einen Haken: Josef kann keine Kinder zeugen. Um sich und seine Frau vor weiterem Ungemach zu schützen, kommt der verzweifelte Josef auf die Idee, David zu bitten, mit Marie ein Kind zu zeugen. Im Finale des Films überschlagen sich dann die Ereignisse, in schwerer Stunde rettet Horst – nicht ganz uneigennützig – Josef und Marie vor den brandschatzenden Nazis, worauf sich Josef nach Ende der Kriegshandlungen revanchiert und Horst zur Seite steht.
Tragikomödie über den Holocaust
Was als eher bedächtiges Kammerspiel mit komödiantischen Untertönen beginnt, entwickelt sich im Laufe der Handlung zu einer melodramatischen Tragikomödie, in der Regisseur Hrebejk an Filme wie Roberto Benignis
Das Leben ist schön anknüpft. Auch wenn Sujet und Genreausprägung nicht gänzlich neu sind, Hrebejk hat den schwierige Parforceritt, eine Holocaust-Komödie zu drehen, gemeistert.
Differenzierte Sichtweise
Die vor allem von Fachleuten immer wieder aufgeworfene Frage, ob denn nach dem Genozid an den Juden eine künstlerische Verarbeitung des Grauens möglich ist, hat Hrebejk mit einem gelungenen Film beantwortet. Vergleicht man ihn mit den unzähligen "ernsten" Holocaustfilmen, die oft papieren und moralisierend daherkommen, so ist Hrebejks Werk die gewagtere, aber auch ehrlichere Herangehensweise an das schwierige Thema. Ohne erhobenen Zeigefinger und ohne sich im Ton zu vergreifen, schildert Hrebejk individuelle Schicksale vor historischem Hintergrund und vermeidet dabei die Sicht der Sieger. Hrebejks Film ist vor allem auch deshalb gelungen, weil er die beiden Personen, die im Mittelpunkt stehen, den stets vor sich hin grantelnden Josef und den Opportunisten Horst, facettenreich und differenziert darstellt.
Überhöhung der historischen Geschehnisse
So könnte man
Wir müssen zusammenhalten fast schon als gelungenen Lehrfilm bezeichnen, weil er Menschen in schwierigen Zeiten zeigt und deren Reaktionen und Ängste glaubwürdig schildert. Auch verzichtet Hrebejk auf jegliche große filmische Geste, vermeidet historische Ausschmückungen, Massenszenen oder Sequenzen in Ghetto und Konzentrationslager. Dadurch wird auch die Überhöhung der historischen Geschehnisse in allgemeingültige Aussagen ermöglicht. Die verschiedenen Verhaltensweisen der Protagonisten – Mut, Auflehnung, Angst, Opportunismus – sind auch vor dem Hintergrund anderer historischer Konstellationen denkbar. So dürfte auch ein junges, interessiertes Publikum, das Nationalsozialismus und Judenvertreibung primär aus Medien und Unterricht kennt, den Film mit Gewinn sehen.
Autor/in: Jochen Kürten, 01.03.2002