Iris Sellin, die weltberühmte Pianistin und Komponistin im Film
Blueprint ist an Multipler Sklerose (MS) erkrankt, einer ursächlich noch nicht erforschten chronischen Erkrankung des Nervensystems, die sehr unterschiedlich verläuft . MS wird auch als Krankheit "mit den 1000 Gesichtern" bezeichnet, da an verschiedenen Stellen im Gehirn, an den Sehnerven und im Rückenmark entzündliche Veränderungen mit narbiger Rückbildung auftreten. Seh-, Schluck- und Sprachstörungen, Taubheits- und Kribbelgefühle, Lähmungen und dergleichen unterscheiden sich in Ausmaß und Dauer bei jedem/r Betroffenen erheblich. Es gibt schubförmige, langsam oder aggressiv fortschreitende und sogar "stumme" Verlaufsformen. MS kann junge aber auch ältere Menschen nahezu aller Völker treffen, Frauen häufiger als Männer, und sie kommt überwiegend in gemäßigten Klimazonen (Mitteleuropa und Mittelamerika) vor.
Die Krankheitssymptome in den frühen Stadien der MS setzen meist plötzlich, schubartig und ohne erkennbare Ursache ein. Nach einem Schub kann sich der Gesundheitszustand wieder normalisieren, die Beschwerden klingen fast vollständig ab – wodurch die Krankheit monate- oder sogar jahrelang als geheilt erscheint. MS ist keine tödliche Krankheit. Wenn sie frühzeitig erkannt wird, kann man Jahrzehnte mit ihr leben – obwohl die Behinderungen im Lauf der Zeit zunehmen. MS ist im übertragenen Sinn wie das Umsteigen von einem ICE-Zug auf die S-Bahn, denn mit jeder Entzündung wird die Leitgeschwindigkeit der Nervenfasern reduziert. Die für unsere gewohnten Bewegungsabläufe notwendigen Befehle und Reize "fahren" also nicht mehr nach dem ursprünglichen "Fahrplan", sondern deutlich langsamer und weniger zuverlässig.
Im Film
Blueprint überzeugt Iris den ehrgeizigen Reproduktionswissenschaftler Martin Fischer, mit einem Klon ihr musikalisches Talent – und ihn als Forscher – unsterblich zu machen. Natürlich stellt sich sofort die Frage nach dem Risiko der Vererbbarkeit dieser noch immer unheilbaren Erkrankung. Trotz des großen Forschungsaufwands gibt es bis heute – außer einigen Vermutungen – keine hinreichende Erklärung, wodurch MS eigentlich verursacht wird. Als gesichert gilt bisher: MS ist keine Erbkrankheit in dem Sinn, dass eine Übertragung einer Erbanlage von einem Elternteil auf die Kinder mit zwangsläufigem Ausbruch der MS bei ihnen erfolgt. Dennoch können noch nicht näher bekannte "Empfänglichkeits-Anlagen" übertragen werden, die das Auftreten der MS begünstigen, wenn weitere Faktoren hinzu kommen. Vieles spricht für eine Kombination aus Umwelteinflüssen und fördernden Erbanlagen sowie Fehlreaktionen des körpereigenen Abwehr- oder Immunsystems. Je ähnlicher die Erbanlagen von zwei Menschen sind, desto ähnlicher ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Erkrankung an MS. Bei einem an MS erkrankten eineiigen Zwilling steigt das Risiko für den anderen Zwilling auf 20 bis 30 Prozent, bei zweieiigen Zwillingen verringert sich das Risiko bereits auf drei bis sechs Prozent. Kinder und Nicht-Zwillings-Geschwister von MS-Patienten/innen sind nur noch zu höchstens ein bis zwei Prozent gefährdet.
Nach wie vor assoziieren viele Menschen bei MS sofort das Schreckensbild einer sehr pflegebedürftigen Person im Rollstuhl oder sie befürchten sogar eine Geisteskrankheit. Das ist ein fataler Irrtum, der vor allem junge Menschen, die mit der Diagnose konfrontiert werden, grundlos in Angst und Schrecken versetzt. Denn die MS ist "besser" als ihr Ruf, zumal die Therapiemöglichkeiten in den letzten 20 Jahren vielfältiger und effektiver geworden sind. Der/die Betroffene "hat" die MS ein Leben lang und wird sie auch nicht mehr "los", aber die meisten Krankheitssymptome können oft recht gut behandelt werden. Anders als bei Krebs oder Herzinfarkt gibt es zwar kein "Leben nach MS" – aber ein "Leben mit MS" ist heute sehr wohl möglich.