Hintergrund
Engagierte Väter – keine "Weicheier", sondern "ganze Kerle"
Ein Vater, der den Kinderwagen durch den Park schiebt oder den weinenden Nachwuchs tröstet, ist nichts Außergewöhnliches mehr. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums belegt: Bereits 30 Prozent der Männer mit Kindern möchten mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen und sich aktiver an der Erziehung beteiligen. Auch in der Wirtschaft setzt man sich inzwischen mit diesem Bedürfnis auseinander.
Die neuen Väter kommen
Im November 2003 machte erstmals eine deutsche Industrie- und Handelskammer das Thema "Kinder und Beruf" zur Männersache: Die Männer, aber auch die Verantwortlichen in den Unternehmen waren sich auf der Tagung "Väter im Beruf – ein Gewinn für Unternehmen?!" in der IHK Frankfurt am Main einig: Die neuen Väter sind im Kommen, wenn auch langsam. Kinder brauchen beide Eltern, um ihre Geschlechtsidentität auszubilden. "Junge wie Mädchen haben in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft eine Vatersehnsucht, erleben zu wenig Vater", so Ralf Ruhl, Chefredakteur von "paps", Deutschlands einziger Väterzeitschrift. Auch der französische Psychologe Jean Le Camus bewertet die Bedeutung der frühen Vater-Kind-Bindung enorm hoch. Sein Ergebnis: Väter spielen mit Kindern herausfordernder, Mütter eher beruhigender und bestätigender. Das Herausfordernde regt nach Le Camus aber das Gehirn besonders an, selbstständig neue Lösungsmöglichkeiten zu entdecken.
Identität mit Rissen
Doch für den überwiegenden Teil der Männer sind nicht Kinder und Familie, sondern immer noch die Erwerbsarbeit das wichtigste identitätsstiftende Merkmal. Sie richten ihre gesamte Biografie danach aus. Das kann ihnen auch zum Nachteil geraten. "Die fortbestehende männliche Dominanz in den Spitzenpositionen von Wissenschaft, Technik und Industrie verdeckt nur, dass die ganz normalen Arbeitsmänner mittlerweile mit einer Zersetzung ihrer traditionellen Rolle konfrontiert werden", analysiert Thomas Gesterkamp. Der Autor des Buchs "gutesleben.de" beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit den Themen Geschlechterverhältnis und Work-Life-Balance. So sei die Zahl der registrierten weiblichen Arbeitslosen im vergangenen Jahrzehnt mit 10,3 Prozent nahezu konstant geblieben, die männliche Arbeitslosenquote aber von 7,1 auf 11,3 Prozent gestiegen. Die ökonomische Umstrukturierung in der Welt der bezahlten Arbeit ist nicht mehr zu übersehen. Unterstützt wird diese Tendenz durch die demografische Entwicklung und die veränderte Arbeitsmarktsituation in Deutschland. Immer mehr Frauen sind heute immer besser qualifiziert. Das entlastet die Männer. "Früher waren Familienväter leichter erpressbar, weil sie allein die hungrigen Mäuler stopfen mussten. Heute gewinnen sie durch die Ausbildung ihrer Partnerin mehr Freiraum", meint Thomas Gesterkamp.
Alle Seiten gewinnen
Familienbewusste und unternehmensgerechte Personalpolitik müssen sich nicht widersprechen. Berücksichtigt eine Firma die private Situation der Mitarbeiter, egal, ob bei einem Mann oder einer Frau, bedeutet das weniger Stress, dadurch weniger Krankmeldungen und eine niedrigere Fluktuation. Für die Unternehmen rechnet sich diese gestiegene Qualität der Arbeit. Zu diesem Ergebnis kommt die gemeinnützige Hertie-Stiftung. Sie beschäftigt sich seit Anfang der 1990er Jahre mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. "Immer mehr Männer wollen ihre Vaterschaft aktiv leben, ohne deshalb schräg angesehen zu werden", so Stiftungs-Geschäftsführer Roland Kaehlbrandt.
Schöne neue Arbeitswelt
Einstellung und Verwirklichung klaffen allerdings deutlich auseinander. Trotz Recht auf Elternzeit und Teilzeitarbeit müssen engagierte Väter in den meisten Firmen noch große Hürden nehmen. Dazu zählt nicht nur die Furcht vor dem Chef oder dem Karriereknick. Unverständnis kommt häufig auch von Kollegen. "Besonders ältere Mitarbeiter, die noch ein anderes Rollenverständnis leben, stempeln den Kollegen schnell als Softie oder Weichei ab", so Autor Gesterkamp. Dabei wollen viele Männer ihre Stelle gar nicht auf Teilzeit herunterfahren. Anders als Frauen favorisieren sie den Telearbeitsplatz oder den Online-Anschluss zu Hause, um von dort aus ihre Arbeit zu erledigen. "Ihr Wunsch ist, die Arbeits- und Freizeit flexibler handhaben zu können, um beim Kindergeburtstag, Elternsprechtag oder auch im Krankheitsfall da zu sein", meint Gesterkamp. Wer sich als Arbeitgeber für die Zukunft aufstellen will, muss neue Arbeits- und Karrieremodelle entwickeln, auch für aktive Väter.
Autor/in: Simone Spohr, 21.09.2006