Interview
Humor spielt eine große Rolle ...
Ein Gespräch mit Vondie Curtis Hall
Das Interview führte Margret Köhler.
Interviewpartner: Vondie Curtis Hall
Sie konnten den Rap-Star Tupac Shakur für die schwarze Hauptrolle verpflichten, der nach dem Film, im September '96, ermordet wurde. War das schwierig?
Tupac Shakur kam gerade aus dem Gefängnis und keiner in Hollywood wollte ihn haben; man hatte Angst. Aber mein Produzent ließ sich davon nicht beeinflussen. Tupac Shakur war grandios und entwickelte jeden Tag neue Ideen. Er hatte eine brillante Schauspielkarriere vor sich.
Ihr Film hat autobiografische Züge?
Ich habe auf Erfahrungen aus meiner Jugendzeit zurückgegriffen. Mit 16, als Highschool-Kid, machte ich Musik, trieb mich als Sänger und Gitarrist in der Punk-Szene von Detroit herum. Wir dachten, Drogen würden die Kreativität stimulieren. Eines Tages hatten mein Bassist und ich die Nase voll von Drogen und versuchten, in ein Entzugsprogramm hineinzukommen. Wir wollten nicht, dass unsere Eltern etwas davon erfuhren, deshalb gaben wir keine Adresse an und konnten keine Sozialversicherungskarte vorweisen. Es war die Hölle. Wir wurden von einer Institution zur anderen geschickt, es ging nicht mehr um Hilfe, sondern nur noch um bürokratische Prozesse. Der Wille, von den Drogen loszukommen, wird durch solche Hindernisse zunichte gemacht. Diese entwürdigende Situation vergesse ich nie.
Sie waren Sänger, Tänzer und Schauspieler, reichte Ihnen das nicht mehr?
Als Schauspieler ist man nur ein kleiner Teil eines großen Puzzles. Dagegen arbeitet man als Regisseur auf verschiedenen Ebenen, man hat das Gesamtwerk im Auge, der Film ist wie das eigene Baby, die Erfüllung der Visionen. Deshalb bin ich zur Filmschule gegangen und zur 'Black Filmmakers Foundation'.
Inwieweit hat Sie Spike Lee inspiriert?
Er war ausschlaggebend für meinen Wunsch, Filmemacher zu werden.
Sie wollen 'Black Movies' machen, was heißt das für Sie?
Ich möchte erstens unterhalten, zweitens provozieren. Die Leute sollen lachen und im Kino eine gute Zeit haben, gleichzeitig will ich auch Fragen aufwerfen über unseren Platz in der Welt, über Rassismus, Sexismus usw. Mich interessieren Themen, die mit meiner Realität zu tun haben. Dabei möchte ich die Vielfalt des 'Schwarzen Amerikas' zeigen, nicht das, was im Kino oder Fernsehen darunter verkauft wird. Es muss andere Geschichten geben als die von Schwarzen in den 'Hoods', die sich gegenseitig abknallen oder diese albernen Figuren in dummen Komödien. Es gibt nicht nur Schwarze, die in heruntergekommenen Sozialwohnungen hausen; Crack-Babys oder allein erziehende Mütter, das sind höchstens 15 %. Die meisten Schwarzen gehören zur Mittelklasse, gehen zur Schule und zur Arbeit wie andere auch, die Kinder haben Väter und Mütter. Aber darüber macht man keine Filme, das ist nicht spektakulär. Dieses einseitige Negativ-Image in den Medien ärgert mich. Ich möchte meinen Teil dazu tun, es zu ändern.
Handelt ihr nächster Film von der schwarzen Mittelklasse?
Er handelt wieder von Menschen, die in dieser Gesellschaft nicht funktionieren. Aber ich produziere demnächst einen Film über die schwarze Mittelklasse.
Ihr Film wurde als die amerikanische Version von Trainspotting bezeichnet.
Trainspotting ist für mich das Clockwork Orange der 90er Jahre. Meinen Film sehe ich mehr als Midnight Cowboy dieser Zeit. In Gridlock'd geht um das Gefühl von zwei Typen, mit dem verbindenden Element, dass sie auf Drogen sind. Aber warum sollte man nicht zwei Filme über ein ähnliches Thema machen? Drogenkonsum gibt es überall. Es geht aber auch um Freundschaft, auch zwischen Schwarz und Weiß. Bewusst habe ich die Rassenfrage nicht thematisiert und auf die übliche 'political correctness' verzichtet.
Obgleich Ihre Helden mit jeder Menge Schwierigkeiten kämpfen, gibt es sehr viel Humor in Ihrem Film. Ist das auch eine Art, die Wirklichkeit zu bewältigen?
Humor spielt eine große Rolle, weil ich damit das Publikum ansprechen und für das Thema sensibilisieren kann. Wenn ich nur jammere und eine moralische Botschaft verkünde – so ehrenwert sie auch sein mag – hört und sieht niemand zu.
Autor/in: Margret Köhler, 12.12.2006