Interview
Das schlechte Gewissen ...
Ein Gespräch mit Mark Herman
Das Interview führte Margret Köhler.
Interviewpartner: Mark Herman
Sie erzählen eine sehr anrührende Geschichte. Ist diese noch aktuell oder schon Historie?
Beim Bergarbeiterstreik 1984 habe ich als Student Geld gespendet; der Arbeitskampf ging mir seitdem nicht aus dem Kopf. Es gab damals große Sympathien für die Streikenden. Inzwischen hat das Interesse nachgelassen. Ich wollte an diese Ereignisse erinnern, sie dem Vergessen entreißen. Leider kommt der Film fünf Jahre zu spät. Ich fühle mich etwas schuldig, dass ich dem Sujet nicht schon vorher mehr Aufmerksamkeit geschenkt habe.
Wie erklären Sie sich den Erfolg des Films?
Ich war völlig überrascht. Ein Film über Brass-Bands, verknüpft mit einem sozialpolitischen Thema, löst im Allgemeinen wenig Begeisterung aus. Außerdem spielt die Handlung im wenig geliebten Norden Englands. Aber der menschliche Aspekt rührte doch viele. Auch das schlechte Gewissen spielt eine Rolle: Die Leute fühlen sich für das, was passierte, auch etwas verantwortlich, weil sie damals ihren Hintern nicht hoch kriegten.
Haben diese Brass-Bands noch eine Bedeutung?
Die Welt der Brass-Bands existiert nach wie vor. Sie geben der Gemeinde einen typischen Charakter. Das Sterben einer Band ist Symbol für das Sterben einer Gemeinde. Bei mir bildet die Brass-Band aber nur den Rahmen, im Mittelpunkt steht das Sterben der Minen.
Fühlen Sie sich in der Tradition von Ken Loach oder Mike Leigh?
Ich fühle mich nicht als politischer Filmemacher. Doch den Blick auf einen immer zu kurz kommenden Teil der Gesellschaft zu richten, hat weniger etwas mit Politik zu tun als mit der Frage nach Gut und Böse. Ich kann nur Empfindungen vermitteln. Brassed Off sehe ich weniger politisch als moralisch. Es hat mich einfach geärgert, wie man die Betroffenen behandelt. Erst nimmt man ihnen die Existenzgrundlage und stellt sie mit Abfindungen ruhig, dann kümmert sich niemand um neue Industrien oder Arbeitsplätze. Dennoch: als wir im südlichen Yorkshire drehten, stellten wir fest, dass die Leute immer noch kämpferisch sind. Ich hoffe, dieses Gefühl findet sich im Film wieder.
Autor/in: Margret Köhler, 12.12.2006