So hochgezüchtet kann ein technisches Spielzeug in den Händen des Oberschurken gar nicht sein, als dass ein "James Bond" nicht in der Lage wäre, es zu zerstören. Diese Quintessenz steht am Ende aller Bond-Filme. Der Mensch siegt über die Technik, nicht weil diese etwa rückständig ist, sondern weil das Gute über das Böse siegen muss. Die Moral behält die Oberhand über die Maschine. Die James Bond-Filme haben schon immer den neuesten Stand der Technik gezeigt. Und sie haben immer auch einen Blick in die Zukunft geworfen, in den Bereich des Machbaren und Möglichen. Doch das Waffenarsenal der Bond-Gegner konnte noch so ausgefallen sein: ein James Bond setzte es immer außer Kraft. Natürlich stand ihm ein noch ausgefeilteres technisches Equipment zur Verfügung. Doch darauf kam es gar nicht an. Manchmal genügte nur ein einziger Handgriff, ein bauernschlauer Trick und das ganze technische Gerüst des Gegners brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. In dieses Schema ordnet sich auch
007 – Der Morgen stirbt nie ein, der 19. Film der Reihe und der Zweite mit Pierce Brosnan in der Titelrolle.
Gegner ist diesmal – da geht die Serie mit der Zeit – ein international agierender Medienmogul. Russen haben schon lange ausgedient, auch die Chinesen sind nicht mehr der eigentliche Feind und selbst der sonst so gern aufgegriffene internationale Terrorismus ist kein Gegner mehr für den Top-Spion seiner Majestät. In Zeiten weltweit fortschreitender digitaler Vernetzung und Manipulierbarkeit lag es nah, den Oberbösewicht mit den Attributen moderner Medienmogule auszustatten: ein eigenes Satellitensystem, Nachrichtenkanäle, Überwachungssysteme, weltweit erscheinende Zeitungen. Da ist
007 – Der Morgen stirbt nie ganz nah am Puls der Zeit. Doch hinter der Fassade der Moderne brechen schnell die alten Muster wieder auf: Es wird geschossen aus allen Rohren, am liebsten mit Maschinengewehren und Pistolen. Auch der 19. James Bond ist ein altmodischer Film: nicht ausgefeilte Technik entscheidet über Sieg und Niederlage, vielmehr besiegt der gute Held den Bösewicht. Und da genügt Pierce Brosnan nur eine kleine Handbewegung: Während der großangelegten Präsentation des neuen Nachrichtenkanals von Oberbösewicht Carver muss Bond nur an den Stromkasten gehen und den "Saft abdrehen". So einfach ist das, wenn man James Bond heißt und auf der richtigen Seite steht. Mit Logik hat das alles wenig zu tun, dafür viel mit den Regeln des Genrekinos und des Spionagefilms. Natürlich wird das dargebotene technische Arsenal immer feiner und ausgefallener: Im neuen
Bond ragen vor allem ein deutsches Automobil und ein Handy heraus. Das Auto fährt bei Bedarf auch allein und verbirgt allerlei Vorrichtungen zur Abwehr der Verfolger. Das Handy ist Kommunikationszentrale und Waffe zugleich. Übergeben werden sie in guter alter Tradition zu Beginn des Films von Technikfreak "Q". Dieser wird einmal mehr verkörpert von dem inzwischen greisenhaften Schauspieler Desmond Llewelyn, dem Veteranen des Bond-Standardpersonals. Ein sichtbar gebrechlicher Schauspieler, der schon Sean Connery und Roger Moore mit technischem Schnickschnack versorgte, ist also auch hier für die 'Ausrüstung' von James Bond verantwortlich. Spätestens da zwinkern uns die Macher der Bond-Serie ironisch zu. Es kommt nicht auf die Fortschrittlichkeit der Gerätschaften an, sondern nur auf den Besitzer dieser Dinge.
So bleiben Technik und Fortschritt nur Fassade. Denn Oberbösewicht Carver hat die Fäden weltweiter Nachrichtenmanipulation in seiner Hamburger Zentrale nur scheinbar in der Hand. Inmitten dutzender Bildschirme und Computer sitzt immer noch ein Mensch – und der ist einfach nur machthungrig und "mediengeil". Dass die Gegenspieler von James Bond an ihrem eigenen Größenwahn zu Grunde gehen, ist inzwischen gute alte Tradition und gehört zu den Spielregeln. Deshalb funktionieren die James Bond-Filme auch in den 90er Jahren nach überraschend konservativen Regeln: Den wahren, weil möglichen Schrecken der Technik zeigen sie nicht: Sie dürfen es nicht, denn dann würde am Ende nicht James Bond gewinnen, sondern der Gegner. So siegt im Finale stets die Fantasy über die Logik.
Autor/in: Joachim Kürten, 01.01.1998