Der Geschichtsprofessor Michael Faraday ist Witwer. Seine Frau, FBI-Agentin, wurde bei einem verpfuschten Einsatz gegen Rechtsradikale getötet. Mit seinem kleinen Sohn lebt Michael in einer Washingtoner Vorortsiedlung, einer typischen Siedlung der weißen Mittelschicht, in der das Leben dahinfließt. Als Michael einem verletzten Jungen das Leben rettet, nimmt er erstmals seine unmittelbare Nachbarschaft wahr. Seiner Freundin Hope gegenüber beklagt Michael die Anonymität der Siedlung. Er kannte nicht einmal den Namen des Jungen, obwohl dessen Familie schon seit zwei Monaten gegenüber wohnt. Die beiden freunden sich nun mit den Langs an. Aber dann stößt Michael auf einige Ungereimtheiten und es wächst in ihm der Verdacht, dass die heile Welt der Langs nur Fassade ist, dass Oliver Lang nicht der ist, als der er sich ausgibt, sondern ein Terrorist, der einen Bombenanschlag plant. Der FBI-Kollege von Michaels getöteter Frau und Hope versuchen ihm seinen Verdacht auszureden. Hope kritisiert auch, dass ausgerechnet er als aufgeklärter Professor mit einem offenen Weltbild seinen Freunden nachschnüffelt, was Michael in einem fanatischen Licht erscheinen lässt.
Der Zuschauer allerdings durchläuft in diesem von Mark Pellington inszenierten Film keine Phase des Zweifels. In fast jeder Szene, bei fast jeder Einstellung wird ihm signalisiert: Mit diesen Nachbarn stimmt etwas nicht. Es gibt in diesem Film nie eine Situation, in die sich erst langsam der Schrecken einschleichen könnte. Seine Bilder sind von vornherein 'belastet', der Schrecken ist von Anfang an da. Das beginnt mit der Eröfffnungs-Sequenz, die den Nachbarjungen durch die Straße taumeln lässt und mit wackliger Kamera und extremer Überbelichtung inszeniert ist. Das geht weiter mit Szenen, in denen das Umfeld der Personen im Dunkel verschwindet. Es steigert sich – in der Szene, als Michael und Hope bei den Langs zu Besuch sind – durch den suggestiv lauernden Blick der Kamera, der die Personen durch das Gitter einer Treppe hindurch erfasst. "Warum gibt es mitten im Wohlstand Terrorismus?", fragt der auf dieses Thema spezialisierte Michael in seinem Seminar. Auch der Film gibt vor, sich in aufklärerischer Absicht dieses Themas anzunehmen. Aber der Frage nach dem "Warum" wird dann, von einer oberflächlichen Diskussion über Werte und Verantwortung abgesehen, keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Gezeigt wird allerdings, dass der Staat und insbesondere das FBI im Kampf gegen den Terrorismus versagen. Beim Bombenattentat von Oklahoma etwa – hier nur oberflächlich als fiktiver Vorfall verkleidet – wendet sich Michael ganz entschieden gegen die offizielle Theorie vom Einzeltäter, die seiner Ansicht nach nur verbreitet wird, um die Bevölkerung zu beruhigen. Der Film wird ihm Recht geben. Denn der Bombenanschlag in der Schlusssequenz wird als große Verschwörung einer fanatischen Organisation dargestellt, die ihre Aktivitäten gegen ein verhasstes politisches System richtet.
Wenn man von einem Politthriller auch politische Aufklärung erwartet, das Aufdecken von Machenschaften und den dahintersteckenden Motiven, dann versagt
Arlington Road völlig. Aber selbst dann, wenn man den Film 'nur' als Psycho-thriller nimmt, muss man ihm nicht nur eine fragwürdige Vermischung von Genres vorwerfen, – der aufklärerische Aspekt des Politthrillers tritt zu Gunsten eines rein spekulativen Spiels mit individualpsychologischen Pathologien des Psychothrillers in den Hintergrund – sondern auch seinen simplen Plot. Die Handlung wird hier ausschließlich durch eine wahre Orgie von unglaubwürdigen Zufällen vorangetrieben: Ausgerechnet der Terrorismus-Experte bekommt einen terroristischen Nachbarn, ausgerechnet Hope beobachtet Oliver bei einem konspirativen Treffen in der Tiefgarage, ausgerechnet . . . Nur als Horrorfilm – der er aber nicht sein will! – hätte der Film seine Momente. Wenn Michael bei Oliver in eine Party hineinplatzt, dann wird das etwa so gefilmt wie damals bei Roman Polanski, als Rosemary bei den teuflischen Nachbarn ihr Baby suchte. Und wenn Michael seinen von Oliver gekidnappten Sohn bei einer Pfadfindertruppe sucht, werden zwei Gruppenführer so ausgeleuchtet wie Vampire. So wird der Zuschauer in
Arlington Road aufgeladen mit einer diffusen Angst – mit einem Misstrauen, das sich gegen alle und jeden richtet. Und mit einem Gefühl der Ohnmacht, dass man sowieso nichts ausrichten kann gegen die allgegenwärtige Bedrohung durch fanatisierte Menschen, vor der auch die Staatsmacht kapituliert oder die Augen verschließt.
Autor/in: Rupert Koppold, 01.04.1999