Einen liebevoll-ironischen Blick werfen der pakistanische Autor Ayub Khan-Din und der Dubliner Regisseur Damien O'Donnell auf eine britisch-pakistanische Großfamilie, in der die gegensätzlichen Kulturen aufeinanderprallen und das pure Chaos herrscht. Ihr Debütfilm erinnert an Hanif Kureishi, dem Drehbuchautor von Stephen
Frears Mein wunderbarer Waschsalon und
Sammy & Rosie tun es sowie an die Filme
My Son the Fanatic und
Brothers in Trouble von Udayan Prasad. East is East beruht auf dem gleichnamigen, autobiografisch gefärbten Bühnenstück von Ayub Khan-Din.
Die Handlung spielt in den frühen Siebzigern: Familienvater George Khan arbeitet sich in seiner Fish'n'Chips-Bude ab, um seinen Kindern etwas bieten zu können. Doch Undank ist der Welt Lohn. Die sieben Kids – sechs Brüder und eine Schwester – nennen ihren Vater abfällig Dschingis, interessieren sich nicht für pakistanische Tradition, können sich nichts Langweiligeres vorstellen, als die Koran-Schule zu besuchen, futtern hinter seinem Rücken genussvoll Würstchen und Speck und unterhalten sich auch privat nur mit breitestem Manchester-Akzent. Am liebsten möchten sie Engländer sein – so wie ihre resolute Mutter aus der Working-class. Diese schützt sie vor dem jähzornigen "Pater Familias", der hilflos mit ansehen muss, wie der Nachwuchs seinem Einfluss entgleitet: Die Tochter hängt den Sari an den Nagel und spielt wie ein Junge Fußball, der zweitälteste Sohn macht als Schürzenjäger des Viertels von sich reden, der jüngste ist noch nicht mal beschnitten, der mittlere besucht hinter dem Rücken des Vaters die Kunsthochschule statt die Ingenierschule und – welche Schande – zwei Sprösslinge lassen die ausschließlich vom Vater arrangierte Heirat platzen. Der Älteste, ein homosexueller Hutmacher, ist für den Vater gestorben, sein Name darf nicht einmal erwähnt werden. Die kurzweilige Multi-Kulti-Komödie steuert ihrem Höhepunkt zu, wenn die potenziellen Schwiegereltern empört über das bewusst 'ungebührliche' Verhalten der Schwiegersöhne in spe das Weite suchen. Als die Familie sich im Prozess der Auflösung befindet, reagiert der Vater gewalttätig, zieht die zunächst um Harmonie bemühte Mutter die Konsequenzen, stellt sich offen auf die Seite der Kinder, zeigt Grenzen auf.
Damien 0'Donnell erzählt, wie die scheinbar heile Welt um den pakistanischen Patriarchen sukzessive zusammenbricht, Menschen mit Vorurteilen konfrontiert werden und Kinder gegen ihre Eltern rebellieren (vielleicht etwas heftiger als heute, schließlich waren die 70er Jahre allgemein eine Zeit des Aufbruchs). Ohne Rücksicht auf political correctness inszeniert er den Zusammenstoß der Kulturen mit Sinn für Situationskomik, aber auch mit Verständnis für traditionelle Werte. Manchmal überzeichnet O'Donnell die Figuren, ohne sie jedoch der Lächerlichkeit preiszugeben und in Klischees zu verfallen – sieht man von Nebenfiguren wie den Brauteltern und ihren Töchtern ab, die als reine Karikatur gezeichnet sind. Trotz reichlich Komik kommen die wesentlichen Probleme nicht zu kurz: Verlust von kultureller Identität, Suche nach Ersatzwerten, die Frage nach der Definition von Heimat für die zweite und dritte Generation. Mitleid und Sympathie erwecken alle Beteiligten: Der Mutter fällt es selbst nach 25 Jahren Ehe noch schwer, sich den moslemischen Regeln anzupassen. Sie möchte ihren Kindern (Entscheidungs-)Freiheit zugestehen und verlangt gleichzeitig Respekt für den Vater. Die Kinder sehnen sich nach Akzeptanz, möchten wie ihre britischen Altersgenossen sein und nehmen deshalb auch schon mal an einer Marienprozession teil, statt die Moschee zu besuchen. Dem Vater bleibt das englische Umfeld trotz jahrzehntelangen Aufenthaltes fremd. Im Gegensatz zu seinen Kindern hält er nichts von Integration geschweige den Assimilation und wird durch seine Kinder umso härter damit konfrontiert.
East is East ist ein rührender Appell an Toleranz und Verständnis. Obgleich der Film in der Vergangenheit spielt, erlaubt er sich kleine Seitenhiebe auf die Gegenwart. Zumindest in Ansätzen lässt er sich auch auf moslemische Arbeitsimmigranten in Deutschland übertragen. Und die ausländerfeindlichen Parolen eines älteren Griesgrams aus der Nachbarschaft der Khans, der am liebsten alle Einwanderer wieder in ihre Länder zurückschicken möchte, kommen einem auch im Jahre 2000 nicht ganz unbekannt vor. Interessant die kleinen Brüche im Alltag: Da verteilt beispielsweise der Enkel dieses Mannes Pamphlete gegen ethnische Minderheiten, grüßt aber fröhlich mit "Salem Aleikum" und spielt mit dem jüngsten der Khan-Sippe.
East is East gehört zu der Kategorie sozialrealistischer Filme, die ohne Zeigefingerpädagogik auskommen und durch menschliche Wärme und rauen Charme überzeugen.
Autor/in: Margret Köhler, 01.05.2000