Interview
„Gegen diese rigide Einteilung von Gut und Böse“
Ein Gespräch mit Jason Reitman zu seinem Film Thank You For Smoking
Das Interview führte Margret Köhler.
Interviewpartner: Jason Reitmann
Wie reagierte die Tabakindustrie auf Ihren Film? Bekamen Sie böse Briefe?
Gar nicht. Ich bin auch gegen diese rigide Einteilung in Gut und Böse. Die Leute machen ihren Job, müssen ihre Familie ernähren. Wenn man in Atlanta wohnt, arbeitet man eben für Coca Cola, in Detroit für Ford und in North-Carolina für Philip Morris. Drecksäcke gibt es überall, auch beim "Roten Kreuz".
Rauchen Sie?
Nein. Ich bin wahrscheinlich ein langweiliger Typ, rauche nicht und trinke nicht.
Haben Sie gesundheitliche Risiken des Rauchens oder die Marketingstrategien recherchiert?
Nein. Es geht im Film auch nicht um Wissenschaft, sondern um Menschen, um die amerikanische Hysterie in puncto Zigaretten und Sonstiges. Christopher Buckleys Roman begeisterte mich sofort und ich habe Mel Gibsons Company kontaktiert, die die Rechte am Buch besaß, und dann ein Skript erstellt. Mel gefiel das Drehbuch, aber dann verkaufte er die Rechte und wollte das Projekt nicht selbst durchführen.
Wieso zog sich die Realisierung über vier Jahre hin?
Die Studios fanden die Story zwar witzig, wollten sich aber nicht die Finger verbrennen. Die Tabakindustrie ist eine wichtige Industrie, auch wenn sie am Pranger steht. PR-Mann Nick sollte sich vom Saulus zum Paulus wandeln, das passte mir wiederum nicht in den Kram. Dann traf ich Produzent David O. Sacks, er stellte mir einen Scheck aus und wir legten los. 6,5 Mio. Dollar sind nicht viel. Das war in diesem Fall gut. Denn je billiger ein Film ist, umso ehrlicher kann er sein, man muss niemandem nach dem Mund reden und sich für nichts entschuldigen. Je teurer ein Film ist, umso glatter wird er. Ich hatte trotz des kleinen Budgets tolle Schauspieler und musste mich nicht einschränken in dem, was ich wollte.
Bei Ihrem Vater haben Sie schon kleine Rollen in Filmen wie "Zwillinge", "Dave" oder "Kindergarten Cop" gespielt. Half das in irgendeiner Weise?
Das war damals mehr ein Insider-Spaß, vor der Kamera zu stehen. Ehrlich gesagt, fand ich es am Anfang ziemlich einschüchternd, mit den Schauspielern zu arbeiten. Sie hatten viel mehr Erfahrung als ich. Welche Anweisungen kann ich einem Robert Duvall eigentlich geben? Aber am Set fiel die Angst von mir ab, ich habe einfach gefragt, was haltet ihr von dieser oder jener Idee und habe Regie geführt.
Inwieweit haben Sie den Roman von Christopher Buckley geändert?
Ich halte mich ziemlich nah an die Vorlage. Geändert habe ich vor allem die Rolle des Sohnes, das fand ich wichtig, weil dadurch der Charakter der Hauptfigur eine andere Farbe bekommt, an Menschlichkeit gewinnt. Er ist nicht nur der smarte und eiskalte Profi, sondern auch ein Vater, der Verantwortung trägt und Schwierigkeiten hat, seinem Sohn ehrlich zu erklären, was er macht. Er möchte nicht unbedingt, dass der Filius so eine Richtung einschlägt wie er.
Sie haben mit Ivan Reitman einen berühmten Vater. Ist das eine Erleichterung oder ein Fluch?
Beides. Ich empfinde es als tolles Geschenk, in der Filmszene aufzuwachsen und einen so liebevollen Vater zu haben, auf der anderen Seite halten die Leute den Sohn einer Berühmtheit automatisch für einen unfähigen Trottel, der nur aufgrund seiner Familie einen Job findet. Dieses Vorurteil hat allerdings auch seine Vorteile, es kann sich alles nur zum Positiven wenden. Natürlich gab ich meinem Vater das Skript zum Lesen, er mochte es und war ziemlich stolz auf mich. Aber ich muss meinen eigenen Weg gehen.
Fühlten Sie sich unter Druck?
Als Sohn eines solchen Regisseurs darf man sich keinen Fehler erlauben. Deshalb war ich schon ziemlich nervös. Ein schlechter Film als Nobody, das interessiert niemanden, aber in meiner Position – das geht nicht. Ich drehe seit zehn Jahren Kurzfilme und Werbespots, um möglichst viele Erfahrungen zu sammeln, bevor ich mich an die Spielfilmfront wagte. Werbespots sind eine gute Lektion, helfen bei der Technik, man lernt das Drehen, den Umgang mit Schauspielern und den Schnitt, entwickelt sich ganz langsam zum Geschichtenerzähler.
Wo sehen Sie Ihre Zukunft?
Als Independent, als unabhängiger Filmemacher. Wo das Geld herkommt, ist mir egal. Die strikte Einteilung in Studio-System und Independent-Szene halte ich inzwischen für obsolet. Es ist doch toll, wenn ein Studio oder anderer Groß-Finanzier mir Geld für einen unabhängigen Film spendiert, Hauptsache, ich kann meine Ideen verwirklichen. Ich möchte bei Filmen Regie führen und sie produzieren, jungen Filmemachern einen Anschub geben. Regie reizt mich genauso wie die Suche nach Talenten oder die Produktion. Mein Traum war es, einen eigenen Film auf das Sundance-Festival zu bringen, das habe ich geschafft. Mein nächster Traum heißt, einem anderen Nachwuchsregisseur den Weg dahin zu ebnen. Wer will, kann als Generalist mit tausenden von Komparsen drehen und Millionen Dollar verpulvern. Ich ziehe es vor, mit einem kleinen Team Komödien und ernsthafte Themen zu realisieren.
11.10.2006
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