Hintergrund
Sequels – das Geschäft mit der Vorhersehbarkeit
In diesem Frühjahr und Sommer läuft fast im Wochentakt ein neues Sequel – die Fortsetzung eines Kinohits – an. In den USA sind für dieses Jahr sogar mehr als 20 solcher Fortführungsfilme geplant, ein Umstand, der Hollywood einmal mehr den Vorwurf der Risikoscheu eingebracht hat. Denn ein zentraler Grund für den Trend zu Sequels ist das ökonomische Kalkül der Filmproduzenten/innen, die – um Risikominimierung bemüht – auf bewährte Erfolgsmuster setzen. Warum einen neuen Stoff auf den Markt werfen, wenn eine Fortsetzung eine relativ sichere Rendite verspricht? Meist geht diese Rechnung auf und oftmals spielen zweite oder dritte Teile weit mehr an den Kinokassen ein als die Originale. Die aktuellen Sequels
Spider Man 3 (Sam Raimi),
Pirates of the Carribean – Am Ende der Welt (Gore Verbinski) und
Shrek der Dritte (Chris Miller, Raman Hui) haben in den USA und Deutschland jeweils Besucherrekorde aufgestellt und sich zum Teil gegenseitig übertrumpft. Wie schrieb doch kürzlich die Süddeutsche Zeitung mit Blick auf das Science-Fiction-Spektakel
Star Wars (George Lucas) aus dem Jahr 1977, das als Meilenstein der "Sequel-Manie" gilt: "Auch nach dreißig Jahren ist die Sehnsucht nach der Rezeptur zum Geldverdienen größer als die Angst vor der Fortsetzung, die nicht mit dem Original mithalten kann."
Risikominderung durch Markenprodukte
Neben der vergleichsweise hohen Wahrscheinlichkeit, die beträchtlichen Produktionskosten von Großfilmen wieder einzuspielen, ist die Variation etablierter Marken (brands) wie zum Beispiel "Shrek" oder "Harry Potter" Bestandteil einer strategisch geplanten Verwertungskette, die zahlreiche lukrative Merchandising-Produkte einschließt. Garantien für stetig wachsende Besucherströme gibt es allerdings keine; selbst nicht bei der
Harry Potter-Reihe, die mit einem weltweiten Gesamteinspiel von 3,5 Milliarden Dollar zu den erfolgreichsten Marken der Filmgeschichte zählt. Lockte der erste "Potter",
Harry Potter und der Stein der Weisen (Chris Columbus), hierzulande 2001 noch 12,6 Millionen Menschen in die Kinos, so sanken die Besucherzahlen bei den Teilen zwei und drei auf 9,7 bzw. 6,5 Millionen. Erst der vierte Teil konnte mit 7,9 Millionen Besuchern/innen den Abwärtstrend wieder umkehren.
Stabile Wertschätzung
Ganz offensichtlich erfreuen sich etablierte Marken beim Publikum einer überraschend stabilen Wertschätzung. Wie wäre sonst zu erklären, dass der Hollywood-Star Bruce Willis zwölf Jahre nach seinem letzten Einsatz als hartgesottener Polizist in
Stirb langsam – Jetzt erst recht (John McTiernan, 1995) nun in dem Action-Krimi
Stirb langsam 4.0 (Len Wiseman) auf die Leinwand zurückkehrt. Das bewährte Erfolgsmuster eines unverwüstlichen Polizisten-Raubeins mit coolen Sprüchen ist für das amerikanische Studiosystem einfach zu vielversprechend, um es nach einer so langen Pause nicht noch einmal zu lancieren.
Problematischer scheinen lange Pausen hingegen bei Kinderfilmen zu sein, insbesondere wenn das Zielpublikum von einst inzwischen den Kinderschuhen entwachsen ist. Das belegt das Beispiel der deutschen Komödie
Rennschwein Rudi Rüssel (1994) von Peter Timm: Erreichte der erste Film vor dreizehn Jahren fast eine Million Besucher/innen, so konnte
Rennschwein Rudi Rüssel 2 in diesem Frühjahr nicht einmal ein Fünftel davon verbuchen.
Befriedigung von Erwartungshaltungen
Mit der Reproduktion bewährter Muster reagiert die Filmindustrie auf eine weit verbreitete Erwartungshaltung des überwiegend jungen Publikums, das sich vielfach lieber vertrauten Marken zuwendet, als an der Kinokasse das Wagnis eingeht, von einem unbekannten Stoff möglicherweise enttäuscht zu werden. In der Studie Der Kinobesucher 2006, die die Filmförderungsanstalt im April veröffentlichte, führten 22 Prozent der Befragten zwischen zehn und 19 Jahren als Grund für den Kinobesuch an: Der Film ist eine Fortsetzung oder Teil einer Serie. In der Besuchergruppe ab 60 Jahren ist dies jedoch nur für zwei Prozent ein relevanter Grund.
Dramaturgischer Leerlauf?
Bei einem bewährten Markenzeichen lassen sich viele Zuschauende auch dann nicht abschrecken, wenn die Filmemacher/innen bei der jüngsten Fortsetzung nur noch bekannte Erzählmuster variieren. So präsentiert sich der gerade angelaufene Animationsfilm
Shrek der Dritte nach Ansicht vieler Kritiker/innen als unerwartet überraschungsarm. Dabei hatten doch die beiden Vorgängerfilme mit dem hässlichen grünen Oger gerade mit vielen originellen Einfällen und respektlosen Parodien kräftig gepunktet. Doch beim dritten Teil der Erfolgsmarke gehen dem DreamWorks Studio anscheinend die Ideen aus. Das Sequel zeigt trotz der technischen Finesse der Computertricks unübersehbar Ermüdungserscheinungen, die Marke scheint überstrapaziert und inhaltlich entleert zu sein.
Gleichwohl setzte der dritte
Shrek-Film an den US-Kinokassen 122 Millionen Dollar um – das war das höchste Einspiel, das ein Animationsfilm dort je erreichte. Weil das Publikum dem grobschlächtigen Oger trotz aller dramaturgischen Schwächen der Story treu bleibt, sind die beiden nächsten Folgen bereits in Planung. Als Prequels werden sie allerdings zeitlich vor den bisherigen Filmen angesiedelt sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Rückkehr zu den Ursprüngen der Shrek-Geschichte zugleich mit einer Rückbesinnung auf die charakteristischen Stärken des Originals einhergeht.
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Autor/in: Reinhard Kleber, 10.07.2007
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