Uschi Reich produzierte Kinderfilme wie
Emil und die Detektive,
Das fliegende Klassenzimmer,
Bibi Blocksberg oder
Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen. Bei den Sequels
Die wilden Hühner und
Die wilden Hühner und die Liebe war sie außerdem Koautorin der Drehbücher.
Das Interview führte Thomas Winkler.
Sie haben erfolgreiche Sequels der Reihe Die wilden Hühner und Bibi Blocksberg produziert. Lieben Kinder das ewig Gleiche in immer neuer Verpackung?
Die Sequels waren ja nicht meine Idee - die literarischen Vorlagen waren bereits vorhanden. Ich sehe
Die wilden Hühner auch nicht als Wiederholung der immer gleichen Geschichte. Es sind vielmehr verschiedene Geschichten mit den gleichen Figuren. Und übrigens mag auch das erwachsene Publikum Sequels; da kann man sich leichter zurechtfinden.
Bietet der Rückgriff auf bereits eingeführte Figuren insbesondere Kindern eine Orientierungshilfe in einer Welt, die immer komplexer wird?
Sicher, Kinder lernen durch Wiederholungen. Sie "hängen" gar nicht so sehr an den Geschichten, sondern eher an Charakteren, die für sie eine Vorbildfunktion haben.
Die wilden Hühner tragen durchaus zur Lösung von Alltagsproblemen bei. Die Kinder erkennen ihr Leben in den Figuren wieder, wenn zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter wenig Zeit hat. Reale Probleme werden noch einmal gespiegelt.
Wie unterscheidet sich ihre Herangehensweise an einen Kinderfilm im Vergleich zu einem Film für ein erwachsenes Publikum?
Das kommt auch auf das Alter der Zielgruppe an. Geschichten für kleinere Kinder müssen linear und ausführlich erzählt werden, es dürfen keine Fragen offen bleiben. Bei einem etwas älteren Publikum kann man schon mal etwas weg lassen, mit einer Erzähl-Ellipse arbeiten.
Die wilden Hühner und die Liebe zum Beispiel ist viel komplexer und episodischer erzählt als der erste Film der Reihe, der sich an ein jüngeres Publikum richtete. Das Sequel wendet sich an Teenager, die mit MTV groß geworden sind. Da kann man frecher erzählen. Aber grundsätzlich gilt: Die Fragen, die der Stoff aufwirft, müssen beantwortet werden. Die Kinder müssen die Geschichte verstanden haben, wenn sie aus dem Kino gehen.
Hat sich die Erzählweise im Laufe der letzten Jahre verändert?
Ja, im Moment erzählt man sehr viel plakativer, weniger psychologisch und pädagogischer als noch vor ein paar Jahren. Heute könnten Sie keinen pädagogischen Film mehr machen, die Kinder würden darüber lachen. Konflikte werden ausdiskutiert, es gibt ganz andere Problemlösungsverfahren als noch vor zwei oder drei Generationen. Erich Kästner in Reinform – das geht nicht mehr: In seinen Büchern gibt es immer zwei Teile, die Geschichte, die erzählt wird, und die Pädagogik. Und immer erklären irgendwelche Erwachsenen den Kindern die Welt. Heute muss man Geschichten so schreiben, dass die Kinder das Leben ohne diesen pädagogischen Zeigefinger begreifen.
Trotzdem wird Erich Kästner immer noch sehr gerne verfilmt, auch von Ihnen!
Kästner hat grandiose Charaktere entwickelt, die die Zeiten überdauert haben. Er hat Kinder schon sehr früh ernst genommen und sie ihre Probleme allein lösen lassen. Und Kästner erzählt über universelle Themen wie Freundschaft, Erwachsenwerden, Familie. Eine Scheidungsgeschichte wie in
Das doppelte Lottchen berührt Kinder natürlich heute noch genauso wie in den Fünfziger-Jahren. Man muss halt versuchen, den "Geist" von Kästner zu erhalten, während man die Geschichte modernisiert. Das gelingt mal besser, mal weniger gut.
Ein Problem des Kinderfilms besteht auch in der unterschiedlichen Altersstruktur der Zielgruppe. Vier- bis Achtjährige haben ganz andere mediale Bedürfnisse als ältere Kinder. Wie gehen Sie mit solchen Herausforderungen um?
Das ist sehr schwierig. Und die ganze Problematik hat sich noch einmal sehr verändert in den letzten Jahren, seit kleine Kinder in Begleitung der Eltern im Kino Filme sehen dürfen, die eigentlich erst ab 12 freigegeben sind. In einer Nachmittagsvorstellung von
Fluch der Karibik werden sie sehr viele Sechs- und Siebenjährige finden. Filme für ein sehr junges Publikum erreichen wiederum lange nicht mehr die Zuschauerzahlen wie noch vor wenigen Jahren. Kinderfilm ist eben uncool heutzutage. Aber das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung.
Sie sind Mitglied im Kuratorium von VISION KINO. Was empfinden Sie als wichtigste Aufgabe dieser Institution?
Kindern und Jugendlichen eine qualitätsvolle Medienerziehung zukommen zu lassen. Wir liefern beispielsweise Hintergrundinformationen und organisieren spezielle Vorführungen. Unlängst war ich auf einer Veranstaltung, bei der sich der Bundespräsident
Das Leben der Anderen (Florian Henckel von Donnersmarck, 2005) angesehen und dann mit Jugendlichen diskutiert hat. Es geht uns darum, Orientierung zu liefern in einer Welt, die von Medien bestimmt wird. Seien wir doch ehrlich: Die Kinder wissen doch meist besser Bescheid über Film und Medien im Allgemeinen als ihre Lehrer.