Hintergrund
Der Weg zum Ruhm: Kinder- und Jugendstars im Film
Die Kehrseite des frühen Erfolgs
Judy Garland, River Phoenix, Macauly Culkin, Drew Barrymore, Britney Spears – der zeitweilige Absturz zahlreicher ehemaliger Kinder- und Jugendstars im wirklichen Leben zeigt die Kehrseite des frühen Ruhms. Fatale Selbsttäuschungen waren bereits Thema des Filmklassikers
Was geschah wirklich mit Baby Jane? (What Ever Happened to Baby Jane?, Robert Aldrich, USA 1962), mit den Hollywood-Diven Bette Davis und Joan Crawford glänzend besetzt.

Hannah Montana - Der Film
Darin hat der einstige Kinderstar Baby Jane das Ende seiner Karriere nie verwunden und verharrt bis ins hohe Alter in kindlichen Wahnvorstellungen. Tatsächlich waren Identitätskrisen, Essstörungen oder Tablettensucht häufig die Folgen eines mit hohen Erwartungen gestarteten Lebens in der Öffentlichkeit. Wenn die junge Heldin in
Hannah Montana – Der Film (Peter Chelsom, USA 2009) private und öffentliche Existenz penibel zu trennen versucht, tut sie das folglich vor einem durchaus realen Hintergrund. Gleichwohl thematisieren viele Filme die Sehnsucht und Suche junger Menschen nach dem Rampenlicht in der Hoffnung auf Anerkennung. Dabei kämpfen sie jedoch immer wieder mit Selbstzweifeln, unerfüllbaren Schönheitsidealen, missgünstigen Konkurrenten/innen sowie den Erwartungen der eigenen Eltern. Selbst die ernsthafteren dieser Filme verpacken ihren realistischen Ansatz in Satire und Stilisierung, um der blendenden Künstlichkeit des modernen Pop- und Showbusiness gerecht zu werden. Kommerzieller Erfolg indes ist eher den Filmen beschieden, die einen unkritischen Zugang zu jenen Traumwelten gewähren, etwa den verkitschten Teenager-Opern der Disney-Serie
High School Musical 1-3 (Kenny Ortega, USA 2006-2008).
Stars und Außenseiter/innen
Ein Blick auf das High-School-Genre kann jedoch klären, was Jugendliche an solchen Filmen fasziniert. In
Clueless – Was sonst? (Clueless, Amy Heckerling, USA 1995) oder
Charlie Bartlett (Jon Poll, USA 2007) fungiert

Charlie Bartlett
die Schule als gesellschaftlicher Mikrokosmos: Es gilt, "populär" zu sein. Wie in heutigen Casting-Shows haben sich die verschiedenen Typen – der Streber, die Sportskanone, das Model – voneinander abzugrenzen und gleichzeitig den Vorstellungen eines populären "Schul-Stars" anzupassen. Die Sympathien aber gehören meist den Außenseitern/innen und Verlierern/innen, die aus diesem Regelwerk ausbrechen und so den Weg zur einer stabilen, frei gewählten Identität finden. Schüler/innen kennen diese Probleme aus der eigenen Lebenswelt. Der Wettbewerb um Sympathien liegt ihnen näher als der Idealismus von Sportfilmen wie
Girlfight – Auf eigene Faust (Girlfight, Karyn Kusama, USA 2000) oder
Billy Elliot – I Will Dance (Stephen Daldry, GB 2000), die Leistungsbereitschaft und den Enthusiasmus von Einzelgängern/innen zur Grundlage möglichen Starseins machen. Das Streben nach Anerkennung erklärt auch die Beliebtheit von Fernseh-Formaten wie
Deutschland sucht den Superstar (DSDS) bei Kindern und Jugendlichen.
Eine Antiheldin als Idol
John Waters'
knallbunte Sixties-Farce
Hairspray (USA 1988) findet einen subversiv-spielerischen Zugang zum Thema "Starfieber". Der pummelige Teenager Tracy wird zur Königin einer Musiksendung im Regionalfernsehen von Baltimore. Nun wartet die Wahl zur "Miss Autoshow 1963". Die anfangs skeptischen Eltern sind entzückt, die hübsche Konkurrentin schäumt. Tracy verfügt über ein im Genre höchst untypisches Selbstbewusstsein, Bebop, Rock'n'Roll und Haarspray sind ihr Lebenselixier. Gemeinen Sabotageakten zum Trotz bringt sie es sogar zum Idol der Bewegung gegen die Rassentrennung. Der Underground-Papst John Waters liefert hysterisch-künstliches Popcorn-Kino, jedoch mit viel Herz und einem genauen Blick für jugendspezifische Sehnsüchte.
Der Wille ist alles
Weitaus schwerer hat es die 17-jährige Marva in der Oscar®-nominierten Komödie
Jeder ist ein Star! (Iedereen beroemd! BE, NL, F 2000). Nach dem Willen

Jeder ist ein Star!
ihres arbeitslosen Vaters soll sie es "einmal besser haben". Leider hat die angehende Sängerin weder Talent noch Ausstrahlung. Der erste Fernsehauftritt gelingt erst, nachdem Marva mit einem schmierigen Plattenmanager geschlafen hat – eine demütigende und für das Showbiz offenbar nicht unübliche Erfahrung. Der Film schließt mit einem Happy End wider alle Wahrscheinlichkeit: Der verzweifelte Kampf ihres Vaters lässt Marva die Zeilen eines von ihm geschriebenen Songs erstmals fühlen, bei der Performance wächst sie über sich hinaus. Dominique Derudderes Film überzeugt durch die gelungene Mischung von sozial-realistischen und satirischen Elementen, das Spiel mit den Show-Klischees kann der Lebensnähe nichts anhaben.
Entlarvung der Mechanismen
Auch die neunjährige Olive drängt es im Independent-Überraschungserfolg
Little Miss Sunshine (Jonathan Dayton, Valerie Faris, USA 2006) auf die große Bühne. Fleißig probt sie für einen Kinder-Schönheitswettbewerb im fernen Kalifornien. Ihre Familie ahnt, dass dem bebrillten Wonneproppen eine Demütigung bevorsteht. Dennoch packt der Vater seine dysfunktionale Sippe – jedes Familienmitglied pflegt seine eigenen Neurosen – in einen klapprigen VW-Bus, um dem Kind die Illusion so lang wie möglich zu lassen. Am Ort der Veranstaltung ist es Olive, die die obszönen Mechanismen der pädophilen Fleischbeschau – gegen ihre mit falschen Wimpern und Make-Up entstellten Konkurrentinnen hat sie keine Chance – als erste durchschaut. Mit einer atemberaubenden Striptease-Parodie demaskiert sie die unverhohlene Sexualisierung des Wettbewerbs und verlässt den Ort ihrer Niederlage erhobenen Hauptes.
Schein und Sein
All diesen Filmen gelingt es, den Selbstdarstellungstrieb junger Menschen ernst zu nehmen, letztlich aber wichtigere Werte zu vermitteln: Freundschaft, soziale Kompetenz, Familiensinn und nicht zuletzt der Glaube an die individuellen Stärken des Einzelnen obsiegen gegen Schönheitswahn und Konkurrenzdenken. Häme gilt nur denen, die sich dem oberflächlichen Schein der Perfektion bedenkenlos verschreiben und am Ende als Verlierer/innen oder ungeliebte Gewinner/innen dastehen. Ätzende Kritik wird allerdings selten geübt, so etwa in der Mockumentary (ein als Dokumentarfilm getarnter Film, der eine echte Dokumentation oder das Genre parodiert)
Gnadenlos schön (Drop Dead Gorgeous, Michael Patrick Jann, USA, D 1999), in der der brutale Ausscheidungskampf einer Miss-Wahl sogar zu Todesopfern führt. Im Allgemeinen nutzt das Kino seine Möglichkeit, die Diskrepanz von Schein und Sein des Glamour-Business mit spielerischem Witz offen zu legen. Dass mit solchen Identifikationsobjekten wie Abigail Breslin, Zac Efron oder
Hannah Montana-Star Miley Cyrus neue Kinder- und Jugendidole gezüchtet werden, gehört zur Show. Hoffentlich ergeht es ihnen besser als ihren Vorgängern/innen.
Autor/in: Philipp Bühler, Filmpublizist und Autor von Filmheften der bpb, 25.05.2009
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