Hintergrund
Traumgeschäft - Marketingstrategien von Medienkonzernen im Kinder- und Jugendsegment
Mit frappierendem Erfolg richten sich Filme und Serien wie
Hannah Montana – Der Film (Peter Chelsom, USA 2009), die
Harry Potter-Reihe (USA 2001-2009) oder die Fernsehcasting-Show
Deutschland sucht den Superstar (DSDS) an ihr juveniles Publikum – ein Erfolg, der kein Zufall ist, sondern auch Resultat

Harry Potter und der Orden des Phönix
eines langfristig angelegten Konzepts zum systematischen Aufbau eines Starkults. Dabei nutzen große Medienkonzerne nicht nur vielfältige Verwertungskanäle wie beispielsweise Kino und Fernsehen, DVD- und CD-Produktionen. Sie haben auch die Möglichkeit moderner Cross-Promotion (Werbemaßnahmen für ein Produkt auf unterschiedlichen Medienkanälen) der eigenen Mediensparten und Produktpaletten. So war der Publikumserfolg der Fernsehserie
Hannah Montana des Disney Channels die Voraussetzung dafür, eine neue Marke (Brand) zu etablieren, die sich auf den Musik-, Konzert-, Kino- und DVD-Markt übertragen ließ.
"Superhelden-Film für Mädchen"
Dabei offeriert die Walt Disney Company (WDC) mit der Musikerin und Schauspielerin Miley Cyrus alias Hannah Montana eine Identifikationsfigur, die mit ihrem Image des angepassten, "sauberen" Teenagers geradezu idealtypisch für die traditionellen familienfreundlichen Werte des Konzerns steht. Zugleich funktioniert sie als effektive Projektionsfläche für die Sehnsüchte überwiegend – weiblicher – Heranwachsender. Alfred Gough, einer der Produzenten von
Hannah Montana – Der Film, sieht in der Kinoversion denn auch einen "Superhelden-Film für Mädchen", denn Hannah erfülle "mit Perücke und Bühnen-Outfit den Wunschtraum aller Teenies, indem sie sich quasi in eine mächtige Superheldin verwandelt."
Verzahnung von Realität, Fiktion und Medienwelten
Mit dem neuen Disney-Star erreicht zudem die Verquickung von echtem und fiktionalem Privatleben eine neue Stufe. Denn die Biografie der Spielfilmfigur Miley Stewart stimmt in zentralen Punkten mit der Biografie von Miley Cyrus überein. Für viele Fans verstärkt dies sicherlich die Authentizität ihres Idols, das medienübergreifend von Disney in Szene gesetzt wird. So hat der Großkonzern, der mit der Disney-Channel-Sendung Micky Mouse Club bereits Popmusikern/innen wie Christina Aguilera, Justin Timberlake und Britney Spears als Karrieresprungbrett diente, gute Möglichkeiten, seine diversen Fernsehproduktionen zur wechselseitigen Star-Werbung zu nutzen: Beispielsweise haben die Serienstars aus Hannah Montana, Hotel Zack & Cody (The Suite Life of Zack & Cody, USA 2005-2007) oder High-School-Musical 1-3 (Kenny Ortega, USA 2006-2008) gegenseitige Gastauftritte.
Starmarketing und Starsystem
Dieses gezielte "Starmarketing" eines integrierten Großkonzerns schlägt gewissermaßen den Bogen zurück zum klassischen Starsystem Hollywoods in den 1920er- bis 1940er-Jahren, als die Studios Stars mit mehrjährigen Verträgen an sich banden. Heute sind solche "Knebel"-Verträge nicht mehr nötig: Das Eigeninteresse von Künstlern/innen wie Konzernen an einer möglichst effektiven Kapazitätsnutzung und profitablen Vermarktung sorgt mehr oder weniger automatisch für eine exklusive Bindung. Die Filmstory von
Hannah Montana gibt

Hannah Montana - Der Film
der Heldin beispielsweise genügend Gelegenheit, 13 neue Songs vorzuführen. Da der Kinofilm mit einem Einspielergebnis von 34 Millionen Dollar am Premierenwochenende in den USA einen glänzenden Start hingelegt hat, dürfte auch die jüngste Soundtrack-CD ein Bestseller werden. Doch das Konzept der Marketingkooperation wird auch von der RTL-Casting-Show
Deutschland sucht den Superstar (DSDS) erfolgreich verwendet:
DSDS kombiniert dabei das Konzept herkömmlicher Talentwettbewerbe mit interaktiven Elementen, indem das Fernsehpublikum nach jeder Runde via Anruf bei einer gebührenpflichtigen Hotline über seine Favoritin oder seinen Favoriten abstimmt.
Marken und Merchandising
Ein weiteres wichtiges Instrument der Profitmaximierung von "Brands" ist im modernen Mediensystem das Merchandising, also der Verkauf von lizenzierten Markenartikeln. Das erkannten bereits die Produzenten von
Star Wars (George Lucas, Dave Filoni, USA 1977-2008), dessen Merchandising-Einnahmen sogar die Einspielgewinne überstiegen.

Die Simpsons - Der Film
Zum Kinostart von
Die Simpsons – Der Film (The Simpsons Movie, David Silverman, USA 2007) kamen mehr als 50 Lizenzprodukte auf den Markt, auch die
Harry Potter-Reihe erzielte enorme Profite durch Markenartikel. Die Medienindustrie erhofft sich von den Lizenzprodukten natürlich, dass diese die Bindung der Fans an ihre Idole stärken, indem sie via "gebrandeter" Geldbörsen, Rucksäcke oder Notizblöcke im Alltag der Verehrer/innen präsent sind. Die entsprechende "Zulieferindustrie" versucht dabei, mit den medialen Nutzungsgewohnheiten der jungen Zielgruppen Schritt zu halten. Nachdem das Action-Game
Deutschland sucht den Superstar bereits 2003 auf den Markt kam, gibt es 2009 dazu auch ein Lifestyle-Game für das Handy. Die Games-Hersteller lehnen sich in der Regel eng an das mediale Originalformat an, indem sie zentrale Momente der dortigen Erlebniswelt in die Welt des Spiels transferieren. In der Videospielumsetzung des populären Reality-TV-Formats
Germany’s Next Topmodel (
GNT) von ProSieben wählen sich die Spieler/innen eines von elf Models aus und nehmen an Entscheidungsshows teil. Chancen auf den Titelgewinn haben auch dort nur Gamer/innen, die sowohl mit perfektem Styling als auch einem geschickten Umgang mit den Rivalinnen punkten.
Umstrittene Kommerzialisierung
Der medial angeheizte Starkult bedient sich juveniler Sehnsüchte nach Erfolg, Anerkennung oder Orientierung. Gerade deswegen stießen vor allem polarisierende Fernsehshows wie DSDS oder Germany's Next Topmodel in der Öffentlichkeit vielfach auf Kritik. Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) leitete 2007 ein Prüfverfahren zu DSDS ein wegen "möglicher sozialethischer Desorientierung von Kindern und Jugendlichen" und will die Sendung künftig verstärkt analysieren und kontrollieren. Allerdings haben Psychologen/innen und Wissenschaftler/innen auch auf positive Aspekte hingewiesen. So eröffnet der Starkult Teenagern Möglichkeiten zur Identifikation mit positiven Vorbildern, kann in der Pubertät und in Lebenskrisen Wege zur Selbstfindung ebnen und die Persönlichkeitsbildung stützen.
Autor/in: Reinhard Kleber, Redakteur und Autor im Bereich Film und Medien, 25.05.2009
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