Die mit Spannung erwartete Neuverfilmung von Thomas Manns Nobelpreis gekröntem Epos über den Niedergang einer Lübecker Kaufmannsfamilie im 19. Jahrhundert kann naturgemäß nicht die ganze Bandbreite der Personen und Ereignisse abbilden. So kappt Regisseur Heinrich Breloer, der als ausgewiesener Mann-Kenner zuletzt für den Fernsehdreiteiler
Die Manns – Ein Jahrhundertroman einen Grimme-Preis verliehen bekam, die erste Generation. Er beginnt die Chronik mit dem Sohn des tatkräftigen Urgroßvaters – mit Konsul Johann Buddenbrook, genannt Jean. Von einer kurzen Anfangsszene mit spielenden Kindern in den Lübecker Gassen, bei der bereits die lebenslange Konkurrenz zur aufstrebenden Kaufmannsfamilie Hagenström angedeutet wird, springt die Schilderung zu einem rauschenden Ball mit den nun erwachsenen Sprösslingen Thomas, Christian und Antonia. Dieses Fest markiert die Wende von der jugendlichen Unbeschwertheit ins familiäre Joch. Thomas fügt sich in die Nachfolge seines Vaters, Antonia leistet einer vom Vater gewünschten Heirat mit Grünlich, der sich später als Betrüger entpuppt, nicht lange Widerstand. Christian wächst sich zum hypochondrischen Taugenichts aus, der sich durch eine Mésalliance seinem strengen Bruder entfremdet.
Der braven Verfilmung fehlt es jedoch trotz fast dreistündiger Länge, opulenter Ausstattung, ausholender
Kamerafahrten und guter Darsteller/innen an einer eigenen Handschrift und erkennbarem Stilwillen. Zwar gelingen im Cinemascopeformat manche stimmungsvolle
Bildkompositionen mit weitläufigen Raumfluchten und rauschenden Bällen im schimmernden Kerzenlicht, die an Luchino Viscontis
Der Leopard (Italien 1963) erinnern. Doch überraschende, originelle Perspektiven gibt es nicht. Und literarische Leitmotive wie etwa die Allianz zwischen Kontor und Kirche oder die Zerrissenheit zwischen Merkantilismus und entrücktem Schöngeist kommen lediglich im Ansatz zum Ausdruck. Nur knapp wird auch die historische Einbettung der Familiengeschichte abgehandelt.
Diesen Kritikpunkten eingedenk, gelingt dem Film jedoch eine packende Darstellung von Klassenschranken und der Zerrissenheit der Nachkommen zwischen familiären Pflichten und individueller Neigung. Sie opfern jeweils ihre große Liebe dem vermeintlichen Interesse der Firma, die ein noch mächtigeres Über-Ich als der väterliche Befehl darstellt. Die Steigerung des Familienvermögens ist ihre vordringliche Aufgabe, doch die Verfilmung demonstriert eindrücklich die buchstäbliche Unberechenbarkeit des Lebens. Besonders das Schicksal Antonias, die als Ware auf dem Heiratsmarkt gehandelt wird, steht exemplarisch für die Situation von Frauen in einer patriarchalisch geprägten Epoche. Zugleich ist ihre erste Ehe ein Treppenwitz der Handlung, bedeutet sie doch statt Zugewinngeschäft einen herben finanziellen Verlust. So kann dieses Sittengemälde des ausgehenden 19. Jahrhunderts Jugendlichen auch als intelligente Anregung dienen, im Wechselspiel zwischen Sein und Haben ihre persönlichen Ziele zu erkennen und für ihren eigenen Weg zu kämpfen.
Autor/in: Birgit Roschy, 09.12.2008
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