1997: BND-Biowaffenexperte Wolf und die CIA-Agentin Leslie, seine Geliebte, suchen im UN-Auftrag vergeblich nach Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen im Irak. Um endlich prestigeträchtige Beweise zu beschaffen, wird der an die Produktion derartiger Waffen fest glaubende Wolf 1999 von der BND-Zentrale auf den vermeintlichen irakischen Informanten Rafid, Deckname Curveball, angesetzt, ein für seine Mithilfe den deutschen Pass einfordernder Asylbewerber. Anhand einer simplen Zeichnung mit angeblich mobilen Produktionsstätten und der Erzählung von einem schweren Unfall mit Biowaffen überzeugt der Iraker den BND, an der Produktion von Anthrax beteiligt gewesen zu sein. Widerlegt wird das von einer Blutproben-Analyse Rafids, die über den Kontakt Wolfs zu seiner einstigen Geliebten in einem amerikanischen Speziallabor vorgenommen wird. Obwohl Satellitenbilder Curveballs Zeichnungen als frei erfunden entlarvt haben, präsentiert US-Außenminister Powell vor den UN schließlich Grafiken auf Grundlage dieser Fälschungen als Legitimation für einen kriegerischen Angriff.
Nach Nabers kapitalismuskritischem
Zeit der Kannibalen (D 2014) erzählt das erneut von lakonischem Duktus, trockenem Humor, satirischem Scharfsinn, grotesker Komik und Dialogwitz getragene
Politthriller-Drama surreal überspitzt von allzu realen Begebenheiten am Beginn der Jahrtausendwende. Verbürgt wird das nicht zuletzt durch wiederholt eingebundenes dokumentarisches Archivmaterial. Bei aller Fiktionalität der Darstellung von Ränkespielen der Geheimdienste sucht
Curveball – Wir machen die Wahrheit mit Hilfe einer spielerischen Anverwandlung von
Genremustern des Polit- und Spionagethrillers in ihren Machenschaften nach der Wahrheit des Auslösers der folgenreichen Kriegsgeschehnisse im Irak. Die durchweg
kammerspielartig gestaltete
Inszenierung mit kleinem, dafür schauspielerisch umso prägnanterem Figurenensemble ist charakteristisch unterlegt von minimalistischen
Streichermusikpassagen. Im Finale wartet der Film sogar mit veritablen Actionszenen auf, die ins Parodistische aufgelöst werden.
Das Genrekonventionen augenzwinkernd verfremdende Lehrstück bietet in thematischer wie gestalterischer Hinsicht gute Möglichkeiten zu einer vergegenwärtigenden Auseinandersetzung mit Fragen der Wahrheit und der Legitimation, wie sie kurz vor Ausbruch des Irakkrieges virulent waren und immer noch sind. Anhand der Zeichnung der Protagonist/-innen-Figuren lassen sich aufschlussreiche Einblicke in die Konstruktion von Wahrheit ("Wir machen die Wahrheit") gewinnen, die in den Machenschaften der Geheimdienste auf der Strecke zu bleiben droht. Dabei wird auch das verbreitete Bild, die deutsche Politik sei beim Irakkrieg uneingeschränkt auf Seiten der "Guten" gewesen, hinterfragbar. Das Changieren zwischen realistischem und satirisch-groteskem Narrativ fordert eine ästhetische Einordnung damit einhergehender Mittel filmischer Überzeichnung einschließlich der Gefahren unzulässiger Vereinfachung. Die Diskussion dieses Komplexes ermöglicht Bezüge ebenso wie notwendige Abgrenzungen zu aktuellen Mediendebatten um Fake News.

Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Reinhard Middel, 12.08.2021, Vision Kino 2021.
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