Als 1984 eine große Hungerkatastrophe in Äthiopien herrschte und viele Afrikaner in den benachbarten Sudan flohen, starteten Israel und die USA ein groß angelegtes Hilfsprojekt für die äthiopischen Juden, das unter dem Namen "Operation Moses" in die Geschichte eingegangen ist. Wer es geschafft hatte, durch die Wüste in die Auffanglager im Sudan zu gelangen, und das waren vor allem die Jüngeren, konnte darauf hoffen, über eine Luftbrücke dauerhaft nach Israel zu kommen. Etwa 6.000 Falashas erreichten bei dieser Aktion das gelobte Land, das den unter großen Anpassungsschwierigkeiten leidenden Fremden zunächst mit Ressentiments begegnete. Hinzu kam, dass nicht alle vermeintlichen Juden wirklich jüdischen Glaubens waren.
An dieser Stelle setzt der in Rumänien geborene und in Frankreich lebende Regisseur Radu Mihaileanu mit seiner Geschichte an: Um ihren neunjährigen Sohn vor dem Hungertod im Lager zu retten, gibt ihn die katholische Mutter als jüdisches Waisenkind aus. Schlomo, wie der Junge von der Einwanderungskommission fortan genannt wird, bekommt in Israel französisch-sephardische Adoptiveltern und ein neues Zuhause mitten im Wohlstand. Die neuen Geschwister und die Zieheltern geben sich große Mühe, um dem Jungen Wärme und Geborgenheit zu vermittelt, während Schlomo in ständiger Angst lebt, dass seine falsche Identität auffliegen könnte. Gegen alle Widerstände und Vorurteile der israelischen Gesellschaft hinweg wird er zum Musterschüler und verliebt sich als junger Mann in die Tochter eines ultraorthodoxen Juden, der dem dunkelhäutigen Verehrer mehr als einmal die Tür vor der Nase zuschlägt. Dabei ermöglicht eine subjektive Kamera die Identifikation mit den Wünschen und Sorgen des heranwachsenden Jungen in Israel. Trotz seiner Überlänge bleibt der Film spannend und emotional mitreißend bis zum ergreifenden Schluss, der die Wiederbegegnung Schlomos mit seiner leiblichen Mutter zeigt. Differenziert und mit kritischem Blick auf die Operation Moses plädiert der Film für die Überwindung von Intoleranz und Vorurteilen. Er verschweigt dabei weder die Probleme in Schlomos neuer Familie noch die Brüche und Antagonismen in der israelischen Gesellschaft. Zugleich erzählt er mit Humor und leiser Ironie von dem für beide Seiten oftmals schwierigen Prozess der Integration dieser Falashas in Israel und der Doppelmoral der Selbstgerechten.
Autor/in: Holger Twele, 29.09.2006