Die israelische Regisseurin Tali Shemesh porträtiert eine Gruppe von Holocaust-Überlebenden, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Polen nach Israel emigrierten. Ausgerüstet mit Klappstühlen ziehen die inzwischen hoch betagten Männer und Frauen jeden Samstag auf den Jerusalemer Nationalfriedhof Mount Herzl. Im Schatten einer großen Pinie diskutieren sie über philosophische, kulturelle und politische Fragen oder tragen Gedichte vor.
Mount Herzl Academy nennt sich der Verein, dessen wöchentliche Zusammenkünfte unter anderem der Vereinsamung im Alter vorbeugen wollen. Auch Minya, die zurückhaltende Großmutter der Regisseurin und ihre energische Großtante Lena sind regelmäßig bei den Treffen dabei. Im Gespräch mit der Filmemacherin erinnern sich die Frauen an Stationen ihres Lebens, das vor allem durch die traumatischen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg geprägt wurde.
Etwa fünf Jahre lang begleitete die Regisseurin den kleinen Senioren-Club, der sich im Laufe der Zeit zunehmend dezimiert. Oft treffen sich die Mitglieder bei Begräbnisfeiern. Nach und nach verstummen die letzten Überlebenden des Holocaust und gerade dieser Aspekt macht die Dokumentation zu einem wichtigen und sehenswerten Zeitzeugnis. Eindringlich verdichtet sich in Lenas Lebensweg die menschenverachtende Grausamkeit des nationalsozialistischen Rassenwahns: eine Jugend im Krakauer Ghetto, die Ankunft in Auschwitz, die Ermordung ihrer Eltern und fast aller Verwandten. Erfahrungen, unter denen sie mehr als ein halbes Jahrhundert später noch immer leidet und die sie mit vielen Holocaust-Überlebenden teilt. Auch deswegen will sich die Schicksalsgemeinschaft am Mount Herzl gegenseitigen Rückhalt bieten. Trotz der ernsthaften Thematik ist
The Cemetery Club jedoch kein trübsinniger Film, sondern zeigt sich über weite Strecken sogar unerwartet komisch, wenn etwa die hitzigen Debatten ausufern, so dass nur mit Hilfe einer Trillerpfeife wieder Ruhe in die Gruppe gebracht werden kann. Allerdings sind manche Szenen etwas lang geraten, andere verlieren sich in sehr persönlichen Details, so dass der filmpädagogische Einsatz ein gewisses Maß an Geduld von Seiten der Rezipienten/innen voraussetzt.
Autor/in: Kirsten Liese, 28.03.2007