Im Jahr 391 nach Christus ist Alexandria das geistige und wirtschaftliche Zentrum der römisch-hellenistischen Welt. Hier unterrichtet die Gelehrte Hypatia Mathematik, Philosophie und Astronomie. Für sie steht die Wissenschaft an erster Stelle; eine Ehe würde das Ende ihres Wirkens bedeuten. Während sie lange vor Galileo das geozentrische Weltbild in Frage stellt, toben in der Stadt Glaubens- und Machtkriege. Denn der fundamentalistische christliche Patriarch Cyrill will die Herrschaft über die Stadt an sich reißen. Seine Krieger bekämpfen Andersgläubige und wenden sich auch gegen die Freidenkerin Hypatia, die als Heidin und als Frau mit Einfluss dem Despoten ein Dorn im Auge ist.
Amenábars komplexes Historienepos beeindruckt mit Detailtreue und Realitätsnähe. Alexandria wurde teilweise auf Malta nachgebaut, auf ihrer Agora, dem zentralen Versammungsplatz, vermischen sich Ethnien und Stände und erlauben soziale Analysen. Am Computer entstanden Landschaft und Architektur, sogar der Sternenhimmel von anno 390 nach Christus. Das grausame Schicksal Hypatias ist authentisch, auch wenn Amenábar ihre Figur stark idealisiert, um für die Freiheit des Denkens zu appellieren. Die erste Filmhälfte konzentriert sich auf Hypatias autarkes Leben, zeigt wie sie in einer Männer-Toga nach neuplatonischer Schule lehrt und weder die Avancen des wohlhabenden Orestes, noch die des erfundenen Sklaven Davus erhöhrt. Nach einer Zäsur von zehn Jahren ist der intellektuelle Diskurs Intrigen und blutiger Grausamkeit gewichen. Die dunkle Kleidung von Cyrills Miliz verdrängt die hellen Kostüme der Juden und Heiden vom Straßenbild und verweist in das nahende finstere Mittelalter.
Kulturkampf und die Intoleranz zwischen Religionen sind hochaktuelle Themen, und Amenábar hat dazu in der Spät-Antike spannende Parallelen gefunden. Ist es ein Zufall, dass der fundamentalistische Patriarch Cyrill optisch an Osama Bin Laden erinnert? Davus wird einer seiner Krieger, motiviert durch seinen Werdegang – dies ist unter anderem ein Thema für den Sozial- und Politikunterricht. Interessant für Physik und Philosophie sind die Forschungen der emanzipierten Hypatias. Welches Welt- und Glaubensbild vertrat sie? Was bedeutete die Abkehr vom geozentrischen Weltbild? Auch die Rolle der Religionen als Knebel der Wissenschaft bietet Stoff für Diskussionen.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 09.03.2010
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