Die Familie Solé lebt seit 80 Jahren vom Pfirsichanbau. Ihr Ackerland wurde ihnen einst vom örtlichen Großgrundbesitzer überlassen, nun aber will dessen Erbe das Land zurück, um dort einen Solarpark zu errichten. Bis zum Ende der Erntezeit dürfen die Solés bleiben. Dann können sie auf die Wartung von Solarenergieanlagen umschulen oder ihre Koffer packen.
Alcarràs – Die letzte Ernte, benannt nach der
Gemeinde in der katalanischen Provinz Lleida, in der die Geschichte spielt, fängt nicht nur den Alltag der Landwirte ein, sondern auch, wie die verschiedenen Generationen mit der sich anbahnenden Veränderung umgehen: So setzt etwa der Großvater auf die Güte des Großgrundbesitzers und die einstigen engen Verbindungen. Der Vater erkennt zwar den Wandel, sträubt sich aber dagegen und streitet mit seinem Bruder, der offen für die neue berufliche Perspektive ist. Andere Familienmitglieder sind in die Stadt gezogen, während die Mutter versucht, ihre Familie zusammenzuhalten.
Carla Simón (
Fridas Sommer, 2017) erzählt in ihrem Film aus ihrem Leben – auch ihre Familie baut Pfirsiche an – und aus ihrer Heimatregion, die von der Landwirtschaft geprägt ist. In
Alcarràs zeigt sie, welche Auswirkungen die Globalisierung, die sich wandelnde Gesellschaft mit ihren Bedürfnissen und die Produktion erneuerbarer Energien auf das Leben einer Familie haben, die stellvertretend für Landwirte auch jenseits von Spanien steht. Dabei spielen die Härte des bäuerlichen Lebens und die Belastungen durch die körperliche Arbeit, durch Existenznöte und Identitätsfragen ebenso eine Rolle wie die sich ändernden Geschlechterrollen und die Verteilung der (Erwerbs-)Arbeit innerhalb der Familie. Der Film nimmt sich Zeit und begleitet abwechselnd die verschiedenen Familienmitglieder, mal die pubertierende Tochter, die mit Freundinnen einen Tanz einübt, dann den ältesten Sohn, der sich als Landwirt versteht und keinen Sinn in seiner Schulausbildung sieht, oder den Großvater, der mit seinem Land geradezu verwurzelt scheint. In starken
Farben und mit bedächtigen, manchmal gar nüchtern wirkenden Bildern, deren Ruhe zusätzlich auch
musikalisch unterstrichen wird, zeigt der Film die Natur und das Leben auf dem Land, erschüttert aber, wenn diese Idylle, eine glückliche Kindheit auf dem Hof und die alten Bäume mit wenigen Baggerhieben für immer zerstört werden.
Für die Arbeit in den Fächern Geografie, Wirtschaft oder Politik bietet sich die Auseinandersetzung mit dem Strukturwandel in Spanien, für den die Familie Solé beispielhaft steht. Wie ist die Familie in diese Situation geraten? Welche Konflikte entstehen dabei auch innerfamiliär? In Kleingruppen können die Schüler/-innen über eine sorgfältige Figurenanalyse herausarbeiten, was die veränderte Situation für die verschiedenen Mitglieder der (Groß-) Familie bedeutet und wie sie damit umgehen. Weiterhin liefert
Alcarràs Anknüpfungspunkte und Diskussionsgrundlagen zu den Themen Globalisierung, erneuerbare Energien, Identität und Solidarität zwischen den Landwirten/-innen. So lässt sich etwa der Kampf der Pfirsichbauern und -bäuerinnen für eine angemessene Bezahlung durch die Genossenschaft auch auf die Situation hierzulande übertragen, etwa in Bezug auf Milchpreise. Bauer Quimet hält sich anfangs aus diesem Protest heraus, ändert aber schließlich seine Meinung. Im Spanischunterricht bietet sich zudem der Blick in die Gesellschaft und Geschichte Spaniens an: Hier lässt sich etwa analysieren, inwiefern sich in Bezug auf gesellschaftlich tradierte Rollenbilder Umbrüche in der Großfamilie bemerkbar machen. Spannend ist zudem die Frage, wie der Film die Geschehnisse des Spanischen Bürgerkriegs und dessen Bedeutung bis in die Gegenwart aufgreift.
Autor/in: Verena Schmöller, 09.08.2022
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