London zu mitternächtlicher Stunde: Die Modelagentin Kate nickt auf dem U-Bahnsteig ein und verpasst ihren letzten Zug. Als sie aufwacht, sind alle Ausgänge vergittert. Da rollt doch noch ein Zug ein. Kates Erleichterung indes ist nur von kurzer Dauer: Die Abteile sind menschenleer, nach ein paar hundert Metern stoppt die Bahn mitten im Tunnel und schon bald wird sie Zeugin schauriger Verbrechen. Ein Arbeitskollege, der ihr heimlich gefolgt war und sie sexuell bedrängen wollte, wird in der Dunkelheit wie durch Geisterhand massakriert, einem Wachmann, den sie zu Hilfe holen wollte, die Kehle durchgeschnitten, ein obdachloses Pärchen, das im Schacht lebt, gerät in Lebensgefahr und auch Kate selbst rennt bald um ihr Leben. – Creep ist ein packender, unterhaltsamer Thriller mit Gruseleffekten, der auf der Realitätsebene auch Klischees demontiert: Der britische Regisseur Christopher Smith zeigt Obdachlose, die weder suspekt noch unheimlich sind, sondern harmlose Gestalten, die selbst in Gefahr geraten und niemanden haben, der sie beschützt. Auch geschlechtsspezifische Rollenbilder werden auf den Kopf gestellt: Nicht ein Mann tritt hier als Held und Beschützer auf, sondern eine mutige, clevere und selbstbewusste Frau, die sich selbst und andere zu verteidigen weiß: Eine starke, anspruchsvolle Partie für Franka Potente, die wie in Lola wieder um ihr Leben rennt . Wie bei David Lnych begibt sich dieser Film in tiefe psychologische Abgründe, sorgt mit viel Blut, Bergen von Leichen und einer stets düsteren Atmosphäre für Hochspannung bis zur letzten Minute und ist mit rabenschwarzem Humor gewürzt.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.03.2005