Frauen werden in diesem beeindruckenden Spielfilm des iranischen Regisseurs Jafar Panahi auf Schritt und Tritt, in nahezu jeder Situation des Alltags erniedrigt, schikaniert, überwacht, diskriminiert, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder ohne ersichtlichen Grund einfach eingesperrt. Sie dürfen ihrem weiblichen Nachwuchs keine lebenswerte Zukunft bieten, werden von ihren Familien, den Brüdern, den Männern gnadenlos verstoßen, wenn sie in ihrer Not abtreiben oder auch "nur" ein Mädchen gebähren, dürfen ohne Begleitung keine Busfahrkarte kaufen oder in der Öffentlichkeit rauchen, sich schon gar nicht im Auto einfach mitnehmen lassen. Ihr Leiden scheint grenzenlos und austauschbar, sich wie in einem Kreis ständig zu wiederholen. – Der in Venedig 2000 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnete Film erzählt in eindringlichen Bildern, die das pulsierende, lebendige und moderne Großstadtleben von Teheran mit den archaisch-rückständig anmutenden Repressalien gegenüber Frauen kontrastieren, mehrere solcher Schicksale, ohne sie zu Ende zu erzählen. Eine Frau kreuzt den Weg der einen, in deren persönliche Geschichte man sich gerade eingefühlt hat, und schon heftet sich die Kamera an die nächste. Der Verstoß gegen erzählerische Konventionen irritiert mitunter, macht dafür aber deutlich, wie sehr die Geschichten der Frauen sich gleichen. Panahi macht sie seinerseits nicht zu willenlosen Opfern eines dummdreisten, ignoranten Patriarchats ohne Hirn und Herz. Über die Anklage an den gesellschaftlichen Verhältnissen hinaus ist sein Film auch eine Ehrerbietung an den Mut dieser Frauen und ihre Kraft, sich listig und unbeugsam diesem Schicksal entgegenzustellen.
Autor/in: Holger Twele, 01.09.2001