Drei Generationen einer angesehenen Bürgerfamilie aus Bordeaux stehen im Mittelpunkt dieses kriminalistischen Kammerspiels, in dem nebenbei ein Mord und die Beweggründe dafür aufgedeckt werden. In erster Linie kommen aber wohlgehütete Familiengeheimnisse ans Licht, die das Leben aller Beteiligten vergiftet haben. Auslöser sind anonyme Briefe, in denen die Familie eines unaufgeklärten Verbrechens gerade in dem Moment bezichtigt wird, als die ambitionierte Gattin des gerne fremdgehenden Hausherrn sich um den Bürgermeisterposten bewirbt und der lange im Ausland gewesene Sohn plötzlich auftaucht und von seiner Schwester geradezu leidenschaftlich begrüßt wird. Lediglich die ältere Tante scheint für alle ein offenes Ohr und selbst keine Geheimnisse zu haben. – Schauspielerisch ist dieser Film über jeden Verdacht erhaben: Es macht richtig Spaß, den Figuren bei ihren Vertuschungsspielchen und der mühsamen Wahrung ihrer Fassaden zuzusehen und inszenatorisch beherrscht Chabrol ohnehin längst alle Regeln der Kunst. Allerdings kann er hier seinem Lieblingsthema, der Doppelmoral und Verlogenheit des Bürgertums, keine wesentlich neuen Varianten abgewinnen und die Dramatik der menschlichen Enthüllungen ruft kaum noch wirkliche Erschütterungen hervor. Die im Film aufgestellte These, persönliche Schuld, hier insbesondere auch Denunziantentum und Kollaboration mit dem Feind zur Zeit des Nationalsozialismus, könnte sich von Generation zu Generation weitervererben, wirkt in diesem Zusammenhang sogar eher ärgerlich. Sie verhindert in der vorgestellten Familienkonstellation sogar, darüber nachzudenken, wie man den Nachgeborenen neues Leid erspart, indem man die Vergangenheit und die eigene Familiengeschichte nicht einfach verdrängt.
Autor/in: Holger Twele, 01.07.2003