Die 17-jährige Französin Claire ist im fünften Monat schwanger und hat keinen Lebensgefährten. Sie will anonym entbinden und das Kind zur Adoption freigeben. Ihren Job als Kassiererin im Supermarkt gibt sie auf und bewirbt sich erfolgreich bei der älteren Haut-Couture-Stickerin Madame Melikian, die ihren Sohn bei einem Motorradunfall verloren hat und darüber nicht hinwegkommt. Als Claire ihrer selbstmordgefährdeten Arbeitgeberin das Leben rettet, wächst nach anfänglicher Distanz zwischen beiden ein Band, das proportional zu Claires Bauch immer enger beziehungsweise dicker wird. Über die konzentrierte Arbeit finden beide Frauen zurück ins Leben, das ihnen einen Neuanfang gewährt. – Für ihren ersten langen Film gewann die französische Autorin und Regisseurin Eléonore Faucher bereits etliche Preise, darunter den Großen Preis der Sémaine de la Critique auf dem Festival von Cannes 2004 und den Verleihförderpreis der Französischen Filmtage in Tübingen. Faucher erzählt mit viel Gefühl, aber ohne falsches Pathos, wie zwei ungleiche Frauen sich gegenseitig helfen, aus seelischer Not herauszufinden und neuen Lebensmut zu schöpfen. Bemerkenswert ist die Kunstfertigkeit der Regisseurin, die Geschichte analog zur vorherrschenden nonverbalen Kommunikation zwischen den Frauen vor allem über die Bilder zu erzählen. Selbst wenn manche Wendung im autobiografisch geprägten Drehbuch etwas forciert und manche szenische Auflösung noch nicht ausgereift wirken mag, die Leistungen der beiden Hauptdarstellerinnen machen solche Anfängerschwächen wett. Ganz nebenbei bringt das kammerspielartige Filmdrama in stillen wortkargen Sequenzen voller Poesie dem heutigen Publikum die alte traditionsreiche Handwerkskunst der Perlenstickerinnen nahe, die mit Stoffen, Fäden und Perlen in geduldiger Arbeit filigrane Bilder schaffen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.05.2005