Es herrscht bald nicht nur musikalischer Streit zwischen der Blaskapelle von "Satchmo" Vladisho, Serbiens beliebtestem Trompeter und dem Roma-Blasorchester Sandokan Tigers: Als sich Sandokans Stiefsohn Romeo und Vladishos Tochter Juliana ineinander verlieben, versucht Julianas Vater mit allen Tricks, die Liaison zu unterbinden, erklärt sich jedoch zu einem Zugeständnis bereit: Falls Romeo ihn beim Trompetenspiel besiegt, wird er ihm die Tochter geben. Und so hofft der junge Liebhaber auf das weltgrößte Blechbläserfestival im Städtchen Guča, wo er gegen Julianas Vater antreten will. Romeos Kampf um seine Liebe wird zugleich zur Suche nach seiner Identität, die in seiner Sehnsucht nach dem toten Vater, eines innovativen, aber gescheiterten Trompeters, wurzelt.
Dem Publikum werden kräftig die Ohren durchgepustet in dieser burlesken Komödie, gedreht von einem Schüler Emir Kusturicas, der sich als Produzent dieses Filmes wieder einmal als der Pate vieler Balkanfilme erweist. Die musikalische Liebeskomödie überzeugt in erster Linie als Gipfeltreffen serbischer Startrompeter - angesichts der seit Jahren zu beobachtenden Begeisterung junger Westeuropäer für südosteuropäische Blasmusik sollte der Filmsound also ein geeignetes Vehikel zur Heranführung an ernstere Themen darstellen. Die märchenhaft anmutende Liebesgeschichte allerdings, die sich lose an den klassischen Shakespear'schen Romeo und Julia-Topos anlehnt, behandelt zwar vordergründig die Rebellion der Teenager gegen ihre autoritären Väter oder Stiefväter. Doch dieser Konflikt erscheint mehr als Vorwand für manchmal zackige (vom virtuosen serbischen Dragan Ignjic-Orchester gespielte), manchmal bluesige Bläserduelle(von dem 18-jährigen Startrompeter und Hauptdarsteller Marko Marković und dessen Boban Marković Orkestar), die ihren Höhepunkt beim Trompetenfestival in Guča finden. Dort treten seit 1961 Gruppen aus Westserbien, die so genannten "weißen" Kapellen, und die "schwarzen", ziganen, Kapellen aus Südserbien gegeneinander an. Im Film drücken sich entsprechend Rassismus und ethnische Frontenbildung zwischen Serben und Roma-Minderheit vorrangig in musikalischer Konkurrenz aus. So gewährt die Komödie folkloristisch gefärbte Einblicke in eine ethnisch zerrissene Gesellschaft und demonstriert zudem den Coming of Age-Prozess ihres Helden, der sich mit Hilfe des musikalischen Erbes seines Vaters seine eigene Identität erspielen muss. Mit virtuosen Verweisen auf die völkerverständigende Macht der Musik erscheint
Gucha auch ein wenig als serbischer Heimatfilm und als entspanntes Plädoyer für eine multi-ethnisches Zusammenleben.
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Autor/in: Birgit Roschy, 08.08.2007