Mitten während der so genannten sexuellen Revolution avancierte 1972 der Porno Deep Throat zum Skandal der Saison. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, deren Klitoris sich tief im Schlund befindet, was entsprechende sexuelle Aktivitäten auslöst. Die "New York Times" attestierte Jerry Damianos Film "Porno Chic" und machte ihn damit zum Thema auf Cocktailpartys und in TV-Talkshows, was wiederum sogar bürgerliche Frauen ins Pornokino lockte. Nachdem Jackie Kennedy ihn gesehen hatte, verdoppelten sich die Besuchszahlen. Als New Yorker Gerichte den Film als obszön einstuften und verboten, legten sie den Grundstein für den globalen Erfolg des Pornostreifens, der erstmals den Sprung aus der Schmuddelecke zum Mainstream-Ereignis schaffte. Deep Throat wurde zu einem der größten Kinoerfolge aller Zeiten: Nach Angaben des FBI spielte die 25.000 Dollar-Produktion weltweit 600 Millionen Dollar ein. 32 Jahre danach beleuchten die Regisseure Fenton Bailey und Randy Barbato in dem facettenreichen Dokumentarfilm Inside Deep Throat die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Werks, erläutern das Schicksal der Protagonisten/innen, analysieren die juristische Verfolgung des Films in 23 Bundesstaaten und fragen nach den Folgen für das heutige sozialpolitische Klima in den USA bis hin zur andauernden Zensurpraxis. Produziert wurde die Doku, die 80 Mal so viel kostete wie der einstige Skandalfilm, von Oscar-Preisträger Brian Grazer ( A Beautiful Mind ). – Das Regieduo kombiniert Aussagen der ehemaligen Hauptdarsteller/innen Linda Lovelace und Harry Reems (er wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, die er aber nicht absitzen musste), des Regisseurs und prominenter Zeitgenossen/innen mit Ausschnitten aus damaligen US-Aufklärungsfilmen und aus Deep Throat zu einer rasant geschnittenen Collage, die eine ebenso amüsante wie lehrreiche Zeitreise in die amerikanische Sittengeschichte ermöglicht. Zugleich leistet der Film eine kritische Bestandsaufnahme der Argumente pro und contra Pornografie von feministischen Anti-Porno-Attacken bis zu den Beurteilungen ultrakonservativer Moralprediger. Dass manche Aspekte wie die gravierenden Folgen des Ruhms für Linda Lovelace oder die klar belegte Mafia-Beteiligung am Vertrieb zu kurz kommen, ist schade, aber angesichts der zu bewältigenden Fülle von 800 Stunden Ausgangsmaterial wohl kaum vermeidbar.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.08.2005