Im Spätherbst 1915 bringt ein Boot zwei Gefangene auf die Insel Bastøy südlich von Oslo: den 17-jährigen Erling, wegen Mordes verurteilt, und Ivar, einen schüchternen Jungen. Bastøy ist eine Besserungsanstalt für schwer Erziehbare mit strikten Direktiven: Jeder wird zur Nummer, muss sich unterordnen und hart arbeiten. Wer gegen die Regeln verstößt, wird mit körperlicher Züchtigung, Isolation oder Schwerstarbeit bestraft. Erling freundet sich mit dem Musterhäftling Olav an, der kurz vor der Entlassung steht, und beginnt, sich gegen die Schikanen der Erzieher aufzulehnen. Als sich Ivar, der von dem Hausvater mehrfach missbraucht wird, verzweifelt im Meer ertränkt, beginnen die Gefangenen zu rebellieren.
Regisseur Marius Holst setzt auf eine klare epische Bildsprache, entschleunigt das Geschehen durch langsame
Schnitte und inszeniert ein beklemmendes Szenario von Bedrohung und autoritärer Willkür, das die reale Häftlingsrevolte auf Bastøy authentisch abbildet. Der winterstarre Zeitrahmen – vom Spätherbst bis Frühling – korrespondiert mit der kalten obrigkeitshörigen Moral und den damaligen Vorstellungen von Erziehung und Bestrafung. Die
Farbgebung des Films ist betont düster, die Ausstattung unterstreicht die beengende Atmosphäre: Alle Häftlinge tragen die gleiche armselige blaue Kluft. Umbenannt zur Nummer, verlieren sie an Individualität. Selbst das weite Meer stellt letztlich eine tödliche Begrenzung dar, denn das Eis ist für einen Fluchtversuch zu brüchig. Erst das wütende Feuer gegen Filmende, welches einen Stall auf Bastøy verschlingt, hat eine befreiende, klärende Kraft.
Neben der Betrachtung der Doppelmoral des Gefängnisdirektors, der den pädophilen Hausvater weiterbeschäftigt, damit ihn dieser nicht wegen finanzieller Betrügereien verrät, lohnt auch der Blick auf Erlings Entwicklung: Wie integriert er sich in seiner Gruppe, wie gestaltet sich seine Freundschaft zu Olav? Obwohl Olav kurz vor der Entlassung steht, wird er, von Erling beeinflusst, seinen persönlichen Freiheitsanspruch dem Wohl der Gruppe unterzuordnen – nicht zuletzt weil Untätigkeit angesichts fortwährenden Unrechts Mitschuld bedeutet. Die harte Bestrafung der 8- bis 21-jährigen Jungen steht im Widerspruch zum Ausmaß ihrer begangenen Delikte. Schon soziale Verwahrlosung reichte damals aus, um nach Bastøy eingewiesen zu werden. 1970 zunächst geschlossen, gilt das reformierte Gefängnis heute als eine der liberalsten Anstalten weltweit. Eine Auseinandersetzung im Unterricht mit unterschiedlichen Methoden des Jugendstrafvollzugs könnte die Diskussion moderner Bootcamps einbeziehen, die beispielsweise in den USA auch dazu dienen, den Willen schwieriger Jugendlicher zu brechen.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 22.03.2012
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