Im Hamburger Stadtteil St. Pauli arbeitet der junge Kurde Baran als Laufbursche für einen Imbiss. Eigentlich sollte er an seinem 16. Geburtstag abgeschoben werden, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde. Doch er ist gerade noch rechtzeitig in die Illegalität abgetaucht. Im Viertel trifft er den blondierten Schwarzafrikaner Chernor, der ebenfalls illegal in Deutschland lebt und seinen Unterhalt mit Dealen verdient. Eine Zeit lang gestaltet sich die Freundschaft zwischen beiden unkompliziert, doch dann taucht ein älterer Kurde auf. Baran macht ihn als Spitzel mit verantwortlich für die Ermordung seiner Eltern im türkischen Kurdengebiet. Als er mit einer Pistole aufbricht, um ihren Tod zu rächen, eskalieren die Ereignisse. – Der Regisseur Yüksel Yavuz, 1964 in Karakocan in der Türkei geboren und seit 1980 in Deutschland lebend, ist einem breiteren Publikum mit seinem ersten Spielfilm Aprilkinder (1998) bekannt geworden, dem mehrfach ausgezeichneten Porträt einer kurdischen Familie zwischen Tradition und Moderne. In seinem zweiten Spielfilm Kleine Freiheit , der immerhin den Sprung in die renommierte Nebenreihe "Quinzaine des Réalisateurs" in Cannes schaffte, setzt er sich erneut mit den Problemen von Migranten/innen in Deutschland auseinander. Der subtilen Schilderung der Beziehungen und Konflikte im multikulturellen Milieu merkt man die intime Kenntnis des Hamburger Kiezes an, in der Yavuz selbst lebt. Seine besten Szenen entfaltet der Film, wenn er in semi-dokumentarischem Stil die Annäherung und das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Protagonisten schildert, deren Alltag von den Zwängen der Schattengesellschaft geprägt ist. Zumal der Regisseur mit Cagdas Bozkurt und Leroy Delmar zwei überzeugende Laiendarsteller aus Hamburg engagiert hat. Im Bemühen um eine dramatische Zuspitzung versteigt sich Yavuz am Schluss leider in einen Showdown mit Waffengewalt, der angesichts seiner unglaubwürdigen Entstehung fast ins Lächerliche umschlägt.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.04.2004