Ein einsamer Mann streift durch verlassene Bürogebäude und erinnert sich an seine Zeit als einer der führenden Investmentbanker Deutschlands. Rainer Voss war ein Insider, wurde zum Aussteiger und blickt nun zurück auf ein Finanzsystem, das seit dem Börsencrash für die meisten Menschen undurchschaubar und potenziell gefährlich erscheint. Regisseur Marc Bauder, der Voss bei dessen Erinnerungsreise in sein voriges Leben begleitet, kommt zugute, dass dieser selbst auf der Suche nach Antworten ist. Er nutzt die stundenlangen nächtlichen Gespräche mit dem Regisseur wie eine filmische Therapiestunde. Gemeinsam setzen sie die Teile eines komplexen Puzzles zusammen, bis am Ende hinter den majestätischen Glasfassaden der Banken das Bild eines Paralleluniversums aufscheint, in dem die Vernunft dem Profit untergeordnet wird und die Auswirkungen des eigenen Handelns auf den Rest der Welt kaum noch wahrnehmbar sind.
Marc Bauder und sein Kameramann Börres Weiffenbach inszenieren das verlassene Bankgebäude, in dem sich Voss mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegt, wie einen zweiten Protagonisten. In
langen Fahrten vermisst die Kamera die Räume von der Chefetage bis zur Tiefgarage, gleitet über die glatten Oberflächen und arbeitet bewusst mit Projektionen und Spiegelungen. Bauder macht aus dem leeren, öden Raum eine Kathedrale des Kapitalismus. Die subtile
Musik unterlegt die häufig monochromen Bilder mit einem unheilvollen Beat, dem man sich nur schwer entziehen kann. Gerade durch die Reduktion auf einen einzigen Gesprächspartner und dessen Sichtweise wird der Größenwahn des Finanzgewerbes spürbar.
Master of the Universe ist ein ebenso lehrreicher wie fesselnder Film, der ganz ohne zusätzliche Informationsebenen, beispielsweise in Form eines
Off-Kommentars, Insider-Wissen über die Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten des internationalen Finanzmarktes vermittelt. Mit dieser Herangehensweise ermöglicht Regisseur Marc Bauder authentische Einblicke, weigert sich aber gleichzeitig, in die Rolle des Aufklärers zu schlüpfen.
Master of the Universe eignet sich daher eher für den Einsatz in der Oberstufe und in der Erwachsenenbildung, als für jüngere Schüler/innen. Im Politik- und Wirtschaftsunterricht kann der Film als authentische Ergänzung des klassischen Lehrmaterials hervorragende Dienste leisten. In Sozialkunde und Ethik lässt sich die bewusste dramaturgische Abkehr von der Objektivität (sprich: die Reduktion auf eine einzelne Sichtweise) und ihre Folgen für die eigene Meinungsbildung diskutieren. Ergänzend dazu könnte im Kunstunterricht eine Analyse der eingesetzten filmischen Mittel erfolgen, in der vor allem die meisterhafte Bildgestaltung eine wichtige Rolle spielen kann.
Autor/in: Luc-Carolin Ziemann, 06.11.2013
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