In Deutschland, das 1989 den Sturz der Berliner Mauer erlebte, trifft ein französisch-israelischer Film über den Bau einer neuen Mauer in den Palästinensischen Gebieten sicher auf gesteigerte Aufmerksamkeit. Die Dokumentarfilmregisseurin Simone Bitton, die als Tochter marokkanischer Juden die französische und die israelische Staatsbürgerschaft besitzt und sich als "arabische Jüdin" versteht, hält in ihrem ersten langen Kinofilm fest, wie der fortschreitende Mauerbau Israelis und Palästinenser systematisch trennt. Von der israelischen Regierung als Schutzwall gegen den Terrorismus geplant, schneidet die Absperrung in manchen Regionen palästinensische Dörfer von ihren Olivenhainen ab und die Bewohner/innen vom Weg zu ihren Arbeitsstellen. – Bitton tritt nie vor die Kamera, beklagt aber aus dem Off umso nachhaltiger nicht nur die politischen Folgen dieser erzwungenen Separierung der Völker im Nahen Osten, sondern auch die Zerschneidung einer historisch gewachsenen Landschaft. Insofern wirkt Die Mauer , von Bitton als "Akt des Widerstands" beschrieben, manchmal eher wie eine melancholische Elegie als ein kämpferisches Filmpamphlet, zumal die Kamera oft minutenlang auf den Betonfertigteilen oder im Panoramablick über die Hügel verharrt. Die erfahrene TV-Dokumentaristin und erklärte Pazifistin lässt Israelis und Araber gleichermaßen zu Wort kommen, die, vom Lärm der Bulldozer begleitet, die Hoffnung nähren, dass sich die Menschlichkeit über alle Grenzen des Hasses nicht zubetonieren lässt. Trotz aller Bitterkeit macht die Autorin ihre langfristige Zuversicht deutlich: "Der Frieden wird kommen. Das tut er immer." Besonders im Gedächtnis bleiben zwei Sequenzen: Ein Psychologe aus Gaza berichtet, dass in offiziellen Erhebungen 24 Prozent der palästinensischen Kinder als "Märtyrer", also als Selbstmordattentäter/innen, sterben wollen. Und ein Kibbuz-Bewohner, dessen Großeltern aus der Enge der osteuropäischen "Schtetl" geflohen sind, empört sich über die israelische Leidenschaft, sich selbst auszuschließen und einzumauern. Der Film erhielt auf dem Filmfestival von Jerusalem 2004 den Spirit of Freedom Award und in Sundance den Spezialpreis der Jury.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.05.2005