Die erste Gay-Pride-Parade im serbischen Belgrad gerät zur Katastrophe: Ohne Polizeischutz wird das kleine Häuflein Demonstranten von einem rechtsradikalen Mob brutal zusammengeschlagen. Was tun? Das schwul-lesbische Aktionsbündnis greift zum letzten Mittel: Ausgerechnet eine Gruppe halbkrimineller Kriegsveteranen soll die Demo im nächsten Jahr schützen. Ihr Anführer Limun, Judotrainer und Chef einer kleinen Security-Firma, ist allerdings ausgesprochen homophob. Doch eine kleine Erpressung – Limuns künftige Ehefrau besteht auf einer stilvollen, vom schwulen Aktivisten und Innendesigner Mirko geplanten Hochzeit – wirkt Wunder. Nachdem sämtliche Kollegen abgesagt haben, aktiviert er seine kroatischen, bosnischen und albanischen Kumpels aus Kriegstagen.
Aus einer wahren Tragödie macht der renommierte Regisseur Srdjan Dragojevic eine Komödie. Authentische Fernsehbilder der ersten, gewaltsam aufgelösten Gay-Pride-Parade vom 30. Juni 2001 in Belgrad stehen am Anfang des Films, der die gesellschaftliche Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen nie beschönigt und auf unterhaltsame Weise Klischees zitiert – buntgekleidete Schwule mit feinen Manieren treffen auf knallharte Machos. Dennoch wirken die einzelnen Charaktere durchaus differenziert gezeichnet und selbst die derbsten Schwulenwitze dienen ausschließlich dazu, sich über die auf dem ganzen Balkan verbreitete Homophobie lustig zu machen. In einem von der Diskriminierung Homosexueller und von nationalistischem Hass geprägten Umfeld setzt der
farbenfroh inszenierte und mit viel
Musik unterlegte Film ganz auf Versöhnung und zeigt mit der Vereinigung ehemaliger Kriegsgegner sogar Mut zur Utopie.
In ganz Ex-Jugoslawien war die unter anderem vom deutschen Außenministerium geförderte Tragikomödie ein großer Publikumserfolg. Mit seinem Mainstream-tauglichen filmischen Ansatz verbindet Dragojevic erklärtermaßen die Hoffnung auf eine Änderung schwulenfeindlicher, rassistischer und nationalistischer Einstellungen. Doch wie viel Aufklärung kann ein Film wie
Parada letztlich bewirken? Diese Frage kann im Unterricht ebenso erörtert werden wie das tatsächliche Wissen der Schülerinnen und Schüler über sexuelle Orientierung und Geschlechtidentität. Darüber hinaus bietet der Film einen unterhaltsamen Zugang zur sozialpolitischen Gegenwart der Balkanländer nach dem Bosnienkrieg – sowie einen amüsanten filmhistorischen Abriss über schwule Subtexte in "harten" Filmklassikern wie
Ben Hur (William Wyler, USA 1959) und
Die Glorreichen Sieben (John Sturges, USA 1960). Handelt es sich dabei doch, pikanterweise, um Lieblingsfilme aller Beteiligter.
Autor/in: Philipp Bühler, 11.09.2012
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