Fünf homosexuelle Männer im Alter von über 90 Jahren berichten von ihren Traumata im Dritten Reich. Ihre Erzählungen beginnen in der blühenden Berliner Subkultur der Goldenen Zwanziger. Nach Hitlers Machtergreifung fror die Szene schlagartig ein. Die Nazis inhaftierten rund hunderttausend schwule Männer. Zwar existierte der Paragraph 175 schon seit 1794, aber das Reichsstrafgesetzbuch verschärfte ihn und stellte homosexuelle Handlungen unter schwerere Strafen. Lediglich lesbische Liebe nahm die Parteiführung nicht ganz ernst. Die Zeitzeugen erinnern sich an grausame Jahre in Konzentrationslagern, die sie wie durch ein Wunder überlebten. – Rob Epstein und Jeffrey Friedman arbeiten in ihrer Dokumentation Paragraph 175 ein Kapitel deutscher Geschichte auf, das bislang kaum Widerhall gefunden hat. Die reinen Fakten erschüttern: Über 15.000 schwule Männer kamen in Lagern um, viele wurden zu chemischen Experimenten missbraucht oder kastriert. Noch nach Kriegsende klassifizierte das Gesetz die mit dem rosa Winkel Gebrandmarkten als Verbrecher und erst 1994 wurde der Paragraf 175 endgültig gestrichen. Lange hüteten sich die Opfer aus Angst vor Repressalien an die Öffentlichkeit zu gehen und bis heute erfolgte keine Wiedergutmachung seitens der Bundesregierung. Der Film schildert hautnah, welch ungeheures Unrecht den Opfern widerfahren ist und verbindet ihre persönlichen Schicksale mit ausführlichen allgemeinen Fakten und Hintergründen. Angereichert mit viel Archivmaterial ergibt der Film ein umfassendes Bild über den nationalsozialistischen Terror. Dabei waren die Autoren gut beraten, das Grauen nicht zu illustrieren. Die schmerzlichen Berichte und das Leid in den Gesichtern sagen mehr.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.02.2002