Das 1951 in New York von Judith Malina und Julian Beck gegründete und oftmals bereits totgesagte Living Theatre reist seit über 50 Jahren in internationale Krisenregionen, um in der Öffentlichkeit, in Aufführungen, auf der Straße und in Workshops, so radikal wie gewaltfrei die Vision einer friedlichen Welt und eines besseren Lebens zu verbreiten, politisches Bewusstsein über brennende Fragen der Gegenwart zu schaffen und für Toleranz und gegenseitiges Verständnis zu werben. Ausgehend von den Aktionen der Theatergruppe in New York nach den Anschlägen vom 11. September begleitet der bereits mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm die charismatische Judith Malina u. a. zum G8-Gipfel nach Genua, bei dem es zu massenhaften Protesten von Globalisierungsgegnern/innen und offenen Straßenschlachten kam, oder mit libanesischen Friedensaktivisten/innen nach Khiam, dem berüchtigten ehemaligen Strafgefangenenlager der israelischen Armee im Südlibanon. – Der Berliner Film- und Theaterregisseur Dirk Szuszies war in den 1980er Jahren selbst Mitglied der Truppe. Sein Insiderwissen ermöglichte ihm einen sehr persönlichen und unmittelbaren Zugang zur Arbeit des Living Theatre, mag mitunter aber auch den Blick auf Zusammenhänge und Fragestellungen verstellt haben, die für Außenstehende ebenfalls von Interesse sind. So setzt er weit gehend den Bekanntheitsgrad des Living Theatre und seiner Arbeitsweise voraus, die sich nur langsam und bruchstückhaft im Laufe des Films erschließt, die meisten Mitwirkenden der Gruppe bleiben relativ gesichtslos, über die aus dem Filmarchiv zitierten Stücke und ihre Aufnahme in der betreffenden Zeit hätte man gerne mehr erfahren, mehr Details auch über die Finanzierungsart oder die neuerlichen Akzeptanzprobleme in der italienischen Wahlheimat in der Nähe von Genua. So ist der Film in erster Linie eine großartige Hommage an Judith Malina und ihren 1985 an Krebs gestorbenen Lebensgefährten Julian Beck geworden, über die Lebenskraft, die ungebrochene Hoffnung und den herausragenden Mut dieser kritischen und bewundernswerten Frau, die als Jüdin sogar im Südlibanon agieren, aber in ihrem Heimatland Israel noch nie öffentlich auftreten durfte, und über eine Beispiel gebende, künstlerische Form des kontinuierlichen Widerstands gegen Krieg und Intoleranz.
Autor/in: Holger Twele, 01.10.2004