War Großvater ein Nazi? Diese Frage stellt Regisseur Jens Schanze seiner Mutter. Dass sie sich auf die Spurensuche ihres Sohnes einlässt, ist bemerkenswert. Denn ihr Vater war Funktionär der NSDAP, ein flammender Redner für Hitlers Sache, ein erklärter Antisemit. Bislang wurde nicht viel in der Familie über ihn gesprochen. Die Mutter des Regisseurs bewahrte sich vor allem das Bild des liebenden Vaters, der die Familie auch in Kriegszeiten gut versorgte und Weihnachten so gern Puppentheater spielte. Nun stellt der Sohn bohrende Fragen, recherchiert in Archiven, fährt an den Geburtsort der Mutter nach Neurode in Niederschlesien. Er bringt die Familie damit gehörig durcheinander. Die Schwestern des Regisseurs können sich den Fragen und Informationen des Bruders nur langsam öffnen. Die Eltern scheinen darauf gewartet zu haben, dass endlich einer fragt. Und dennoch sind sie immer wieder bemüht, das Ansehen des Großvater zu schützen. Das Bild vom liebenden Vater und das vom engagierten Nazi wollen einfach nicht zusammenpassen. – Regisseur Jens Schanze findet einen sehr persönlichen Weg, die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland zu beleuchten. Sein eindringlicher Film macht deutlich, wie schwierig die Annäherung an dieses Thema ist, wenn plötzlich der eigene Großvater im Mittelpunkt steht, der doch ein lieber Mensch und kein Sadist war. Zugleich macht der Film deutlich, wie stark sich die bisher nicht vollzogene Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf die Familie auswirkt. Die Schwestern des Regisseurs erzählen von Ängsten, die sie bis heute verfolgen, vom Schweigen der Mutter, das bis heute bedrückt. Als der Regisseur die Musterkopie seines Films im Kreise der Familie zeigt, ist es, als ob alle das erste Mal an einen Tisch rücken, miteinander reden und so zueinander finden.
Autor/in: Dinah Münchow, 01.12.2005