Die Klasse 7a einer kleinen bayerischen Realschule im Jahr 1931 liegt traditionell in Fehde mit der Parallelklasse 7b. Dem 13-jährigen Alexander ist zufällig "die Perlmutterfarbe", eine Erfindung seines besten Freundes Maulwurf, in die Schultasche geraten. Der Verdacht fällt auf die verfeindete Parallelklasse, aber Alexander wagt es nicht, mit der Wahrheit herauszurücken. Als dann die Flüssigkeit auch noch ein Buch ruiniert, welches er sich zu Unrecht angeeignet hatte, scheint ihm seine Lage völlig ausweglos. Immer weiter verstrickt er sich in sein Lügengebäude. Gruber, der Neue in der 7a und ein machtbewusster Intrigant, kennt den wirklichen Ablauf der Geschehnisse. Er deckt Alexander und nutzt dessen Abhängigkeit für seine Zwecke. Er schiebt die Schuld auf einen Schüler der 7b und tritt eine Hetzkampagne gegen die Parallelklasse los. Und so reißen die Ereignisse Alexander mit sich fort, bis er am Schluss fast unter dieser emotionalen Last zusammenbricht und erkennt, dass er seine Schuld eingestehen muss.
Marcus H. Rosenmüller (
Wer früher stirbt, ist länger tot, Deutschland 2005) hat den Roman von Anna Maria Jokl
Die Perlmutterfarbe für seinen Film als Vorlage verwendet, ein Buch, das 1938 im Exil entstand, nachdem Jokl 1933 vor dem Nationalsozialismus geflohen war. Das Beeindruckende an diesem Jugendroman, der im historischen Kontext der bevorstehenden Machtergreifung der Nationalsozialisten am Ende der Weimarer Republik angesiedelt wurde, ist seine universelle Mahnung vor den verschiedenen möglichen Folgen des Denunziantentums: Verrat, Lüge und Schweigen über Missstände müssen nicht automatisch im totalitären Faschismus enden, sie haben jedoch vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft und ziehen immer willkürliche Herrschaftsstrukturen nach sich. Rosenmüller hat sich dieser Sichtweise in seiner Filmadaption uneingeschränkt angeschlossen.
Komödiantisch und zugleich emotional berührend belebt der Film ein Universum, das uns die Nöte und Zwänge vor Augen führt, denen sich der junge Protagonist ausgesetzt fühlt. Alexander muss mit seinen Problemen ganz alleine zurechtkommen, Erwachsene existieren in der Schule wie auch im Privaten nur als Randfiguren, die den Kindern bei der Konfliktbewältigung keine Hilfe sind. Visuell führt uns Rosenmüller die Verlorenheit des Jungen durch eine aus der Vogelperspektive gefilmte unberührte Schneelandschaft vor Augen. Während eine warme Farbtönung, häufig Sepia, dem Film historisches Kolorit verleiht, ist die Farbe Weiß stilbildend – sowohl als Sinnbild für Unschuld und Naivität als auch korrespondierend mit der Titel gebenden magisch-märchenhaften "Perlmutterfarbe".
Die Perlmutterfarbe lässt sich auf vielfältige Weise lesen: Zum einen ist es ein ganz wunderbar gelungener Familienfilm im historischen bayerischen Ambiente, mit sehr genau ausgesuchten Kindercharakteren und offenkundigen Anleihen an Erich Kästners
Das fliegende Klassenzimmer (1933). Der im Film gesprochene bayrische Dialekt ist dabei für manche Zuschauer/innen sicher eine Herausforderung, bietet aber Möglichkeiten, sich mit Sprachgeschichte und Mundart auseinanderzusetzen. Zum anderen muss man den Film als warnende Mahnung verstehen, sich falschen Freunden unterzuordnen und nicht zu seiner eigenen Meinung und seinen wahren Gefühlen zu stehen.
Autor/in: Katrin Hoffmann, 11.12.2008
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