Die Jerusalemer Grabeskirche ist ein zentrales Heiligtum der Christenheit. Seit osmanischer Zeit wird sie von sechs christlichen Konfessionen bewacht und gepflegt: griechisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Franziskaner, äthiopische Abessinier, armenische Christen, ägyptische Kopten und syrische Christen. Von religiöser Eintracht kann jedoch keine Rede sein. Eifersüchtig streiten die Glaubensgruppen um ihre jahrhundertealten Rechte. Jede Gebetsnische, jede Bodenfliese ist aufgeteilt. Ein komplizierter Zeitplan regelt die Abfolge von Prozessionen und Gebetsritualen nur notdürftig, für dringende Reparaturen findet sich überhaupt keine Einigung. An hohen Feiertagen wie Ostern kommt es sogar, mitten im Touristengetümmel, immer wieder zu Handgreiflichkeiten.
Als gelungene Einführung erläutert die Führerin einer israelischen Soldatengruppe die Besonderheit des Ortes, der nach christlicher Anschauung auf dem Grab Jesu gründet. Danach kommen wiederholt die Konfessionsvertreter zu Wort, denen die Frustration über den Status Quo deutlich anzumerken ist. Unter Verzicht auf einen eigenen Kommentar lässt Regisseur und Kameramann Hajo Schomerus jedoch vor allem die Bilder sprechen. Die labyrinthische Struktur der Grabeskirche wirkt wie eine Metapher für die verschiedenen Ausprägungen des Glaubens, aber auch für die Schwierigkeiten und Irrwege menschlicher Sinnsuche im Allgemeinen. Dazu nutzt er die volle Breite der Leinwand und die Dynamik des Ortes selbst, der im Gewimmel sich überlagernder Menschenmassen und Gesänge optisch wie akustisch eine eigene Aura bildet. Nur in der Einsamkeit der Nacht herrscht eine klösterliche Atmosphäre der stillen Andacht.
Mit einem guten Gespür für die tragikomische Situation ist die
Dokumentation Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen so unterhaltsam wie informativ. Diskussionen über Inhalte, Geschichte und Symbolik von Religion lassen sich daran im Unterricht anschließen. Auf dem zwischen Juden und Muslimen umkämpften Terrain der Jerusalemer Altstadt sind zudem die Parallelen zum interreligiösen Dialog offensichtlich. Die weitreichenden Folgen dieses Konflikts können etwa im Fach Politik vertieft werden. Zudem lädt der Film dazu ein, das Thema Toleranz zu erörtern: Zwischen Alleinvertretungsanspruch und gegenseitigem Respekt sind alle Glaubensrichtungen aufgefordert, einen Ausgleich zu finden.
Autor/in: Philipp Bühler, 24.03.2010
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