USA, 1845, zur Zeit der Erschließung des „Wilden Westens“: Drei fromme Siedlerfamilien engagieren den Trapper Stephen Meek, der sie sicher nach Oregon leiten soll. Meek, ein Mann mit verwegenem Äußeren und Sinn für abenteuerliche Geschichten, behauptet, eine Abkürzung zu kennen und führt den Treck in eine unwirtliche Wüstengegend fernab der bekannten Route. Schon bald hegen die Siedler/-innen Zweifel an ihrem Führer, die sich mit schwindendem Wasservorrat zusehends verstärken. Als dann die Männer einen einsamen Native American fangen, spitzen sich die Spannungen weiter zu. Während vor allem Meek in dem Gefangenen einen gefährlichen Feind sieht, glaubt die mutige Siedlerin Emily, dass einzig er die Familien retten kann.
Auf dem Weg nach Oregon ist ein Gegenentwurf zum klassischen Western. So wartet man in dem Independentfilm von Kelly Reichardt vergebens auf Schießereien oder Actionszenen. Die Filmemacherin erzählt die Story, die auf historischen Begebenheiten des Oregon Trails basiert, mit einer kontemplativen Langsamkeit, in
ausdauernden Kameraeinstellungen, die die Strapazen der Reise vermitteln, vor allem aber deren Monotonie. Anstelle eines mythischen John-Ford-Countrys zeigen die
ausgeblichen wirkenden Bilder eine öde Weite, in der die Menschen verloren erscheinen. Der Fokus liegt dabei nicht – wie für das Genre üblich – auf männlichen, sondern auf den weiblichen Charakteren und deren Alltag. Auch in der Inszenierung des Native American bewegt sich
Auf dem Weg nach Oregon fern gängiger Klischees. Die Absichten des Mannes, mit dem keinerlei sprachlicher Austausch gelingt, bleiben für die Zuschauer/-innen ebenso undurchschaubar wie für die Siedlergruppe.
Auf dem Weg nach Oregon, Trailer (© Absolut Medien)
Da
Auf dem Weg nach Oregon die alltägliche Sichtweise der Frauen hervorhebt, bietet der Film einen guten Ansatz, um sich mit der Besiedlung des amerikanischen Westens aus weiblicher Sicht zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang regt der Film dazu an, die durch das Kino geschaffenen und konservierten Mythen vom US-amerikanischen Westen zu hinterfragen. Wie haben die Frauen die Trecks wirklich erlebt? Welche Rolle haben sie eingenommen? Wie sind die Weißen der indigenen Bevölkerung begegnet? Interessant ist auch die Frage, ob der Film den Anspruch von Wirklichkeitsnähe einlöst, ob er diesen überhaupt erhebt, und welche Mittel Reichardt verwendet, um eine Reflexion anzuregen? Da der Film als politische Allegorie gedeutet werden kann, bietet es sich ferner an, die Verschiebung der Machtverhältnisse im Verlauf der Handlung – zwischen Mann und Frau sowie zwischen den Weißen und dem Native American – zu analysieren.
Autor/in: Jörn Hetebrügge, 08.11.2011
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.