Fast 70 Jahre nach der Pogromnacht im November 1938 begegnen sich zwei Brüder am Ort ihrer schicksalsvollen Jugend wieder, um rückblickend die vergangenen Ereignisse noch einmal gemeinsam zu durchleben. Aus Hoffenheim vertrieben, wurde ihre Familie 1940 in ein Konzentrationslager im südfranzösischen Gurs gebracht. Zwei Jahre später entschlossen sich die Eltern, ihre Söhne in ein Waisenhaus nach Aspet zu schicken. 1942 folgte die Deportation der Eltern nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden, während die Wege der beiden Brüder sich bald trennen sollten: Manfred ging in die USA und nannte sich von nun an Fred Raymes, Heinz zog nach Israel und lebte dort unter dem Namen Menachem.
In den gemeinsamen Besuch der Orte ihrer Vergangenheit montiert
Menachem & Fred Szenen der Abreise aus Florida und Jerusalem, Interviews mit den folgenden Generationen, Tagebucheineinträge der Brüder, Briefe der Mutter und Gedanken der Filmemacher im Voice-Over. Dabei schafft der Film Momente, die zum einen das Trauma der Ereignisse über die Generationen hinweg betonen und zum anderen den unterschiedlichen Umgang der Familien damit veranschaulichen. So entsteht auch zwischen den Brüdern immer wieder eine irritierende Distanz, die eben diese Konflikte subtil verdeutlicht. Schade nur, dass
Menachem & Fred diesen Momenten nicht den Raum lässt, ihre Wirkung zu entfalten. Stattdessen versucht er durch den Kommentar und eine teils von Geigen dominierte
Streichermusik Bedeutung zu schaffen, die die Bilder auf nachdrücklichere Weise aus sich selbst heraus entfaltet hätten.
Anhand zweier persönlicher Schicksale macht
Menachem & Fred ein düsteres Kapitel der deutschen Geschichte deutlich. Gerade für den Geschichts- und Ethikunterricht bieten die getrennten Lebenswege der beiden Brüder interessante Ansätze, um die unterschiedlichen Umgehensweisen der Opfer mit den Traumata des Holocaust zu untersuchen. Dabei können die generationsübergreifenden Auswirkungen des Genozids auch in Bezug auf Themen wie Identität, Heimat und Vergessen debattiert werden. Ausgehend vom Angebot der Familie Hopp, deren Vater als SA-Truppenführer die Familie Mayer aus Hoffenheim vertrieben hatte, die Geschichte der Brüder in Deutschland als Buch zu publizieren, kann über die Möglichkeiten und Grenzen einer Aussöhnung diskutiert werden. Schließlich bietet sich auch ein Vergleich dokumentarischer Ansätze der Erinnerungsarbeit an, zu dem beispielsweise Claude Lanzmanns
Shoah (Frankreich 1985) oder Alain Resnais'
Nacht und Nebel (Frankreich 1955) herangezogen werden kann.
Autor/in: Alejandro Bachmann, 04.09.2009
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