filmpädagogische Kinovorstellung, Lehrerfortbildung
Or Min HaHefker
im Rahmen der Film- und Veranstaltungsreihe IM AUFBAU. ISRAELISCHES KINO. EINE RETROSPEKTIVE
09.05.2008 19:00, Berlin
Beschreibung
Anlässlich des 60. Jahrestages der Staatsgründung Israels präsentiert das Zeughauskino/ Deutsches Historisches Museum Berlin (DHM) und die Jerusalem Cinematheque - Israel Film Archive in Kooperation mit der Bundeszentrale für poltische Bildung (bpb) eine Retrospektive des israelischen Films. Nach der Eröffnung der Filmreihe im Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums in Berlin wandert das Programm anschließend durch zahlreiche bundesdeutsche Kinos.
In der Retrospektive mit Arbeiten aus den 1950er bis 1970er Jahren sind Filme zu entdecken, die fast schon als verloren gelten mussten und jetzt dank der Zusammenarbeit vieler Partner in Israel und Deutschland mit neuen Kopien auf die Leinwand kommen. Werke, die hier kaum je zu sehen waren, stehen für eine Binnensicht auf ein Land, dessen Bild uns durch seine Omnipräsenz in den Tagesmedien allzu sehr verstellt ist. IM AUFBAU zeigt die ersten Schritte eines Filmlandes, das unter schwierigen Bedingungen Erstaunliches zuwege gebracht hat. Das Filmprogramm wird ergänzt um eine Reihe von Vorträgen und Gesprächen, die sich mit dem kulturellen und historischen Entstehungskontext der Filme befassen.
Am 09. Mai wird nach einer Einführung von Lihi Nagler der Film Or Min HaHefker (Light Out of Nowhere, Israel, 1973) in der Originalfassung mit englischen Untertiteln gezeigt:
Mit der Bewegung der israelischen Black Panther fand die lange angestaute Wut von Juden orientaler Herkunft zu Beginn der siebziger Jahre ein Ventil, verschafften sich jene, die sich vom ashkenasischen Establishment als Bürger zweiter Klasse behandelt sahen, eine Stimme. Auch im Kino war ihre Sache bis dahin lediglich in populären Komödien verhandelt worden, in denen man sich auf Kosten der unterprivilegierten Orientalen billig amüsieren konnte. Und nicht einmal in diesen Genrefilmen vertraten sie sich selbst: Sephardim im Film wurden oft von ashkenasischen Schauspielern verkörpert; sephardischen Darstellern blieb die Rolle der (noch schlechter angesehenen) Araber.
Die aufgeladene Stimmung dieser Zeit greift Nissim Dayan auf, wenn er in den staubigen Straßen eines Tel Aviver Armenviertels mit Laiendarstellern die Geschichte des siebzehnjährigen Shaul inszeniert, der sich wiederfindet zwischen der unterwürfigen Schicksalsergebenheit seines Vaters und dem hilflosen Zynismus seines kriminellen Bruders. Beides sind Optionen, die er nicht akzeptieren will. Aber welche Möglichkeiten hat einer, ohne Ausbildung, dem als Orientalen das Stigma der Minderwertigkeit anhängt?
Dayans am Neorealismus orientierter Film bricht ein Tabu, wenn er das hoffungslose Leben in den Elendsquartieren Tel Avivs plastisch spürbar werden lässt, und er ist fast dokumentarisch nah an der Realität, wenn die Bewohner gewaltsam rebellieren gegen die behördlich verfügte Zerstörung eines Schuppens, in dem all die mühsam zusammengekratzten Groschen seiner Bewohner stecken. Es ist eine böse Ironie des Schicksals, dass Or Min HaHefker seinerzeit fast ungesehen von den Leinwänden verschwand: Sein Kinostart fiel in die ersten Tage des Yom-Kippur-Kriegs, in dem Israel um sein Überleben kämpfte.
Die Film- und Veranstaltungsreihe wird veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Seminar für Filmwissenschaft der FU Berlin und gefördert vom Hauptstadtkulturfonds, dem Bundesarchiv-Filmarchiv, der Botschaft des Staates Israel, dem Israel Film Fund, der Rabinovich Foundation und dem Forum for the Preservation of Audio-Visual Memory in Israel.