Ein Jubiläum der besonderen Art: Die Hofer Filmtage haben sich im Laufe ihres 40-jährigen Bestehens nicht nur als verlässlicher Seismograph für Entwicklungen und Strömungen des deutschen Films behauptet. Sie werden seit ihrer Gründung auch von Heinz Badewitz geleitet, der damit unanfechtbar zum "dienstältesten" Festivalchef zumindest in Europa avanciert ist. Das Kinofenster gratuliert zu diesem Jubiläum.
Auch wenn die Präsentation des deutschen Filmnachwuchses dieses Jahr mitunter eher wie eine Leistungsschau der ZDF-Redaktion Kleines Fernsehspiel anmutete und zudem viele der Filme in Kooperation mit Arte entstanden, dem Hauptsponsor des Festivals, bleibt unbestreitbar, dass die Hofer Filmtage ein wichtiger Prüfstein für neue Filme sind, insbesondere auch dafür, ob sie über eine Fernsehausstrahlung hinaus echtes Kinopotenzial haben. Ein Rückblick auf die "ersten" vierzig Jahre des Festivals, der in ausgewählten Arbeiten von der
Chronik der Anna Magdalene Bach (R: Danièle Huillet und Jean-Marie Straub; 1968) über
Die tödliche Maria (R: Tom Tykwer; 1993) bis zu
Toter Mann (R: Christian Petzold; 2001) auch Bestandteil des diesjährigen Jubiläumsprogramms war, verdeutlicht ebenfalls, dass ein großer Teil derjenigen, die heute Rang und Namen im deutschen Film haben, seinerzeit in Hof entdeckt wurden oder dort eine erste und zweite Chance erhielten.
Stellvertretend für alle deutschen Neuproduktionen sollen einige Werke herausgegriffen werden, denen ein Erfolg an der Kinokasse besonders zu wünschen ist, und die es zugleich wagen, ungewöhnliche Geschichten kompromisslos zu erzählen. Allen voran
Vier Minuten von Chris Kraus, der womöglich beste deutsche Film auf diesem Festival, der auch bereits einen Verleih und einen zeitnahen Filmstart (Piffl Medien, 1.2.2007) hat: Das dicht inszenierte, von Monica Bleibtreu und Hannah Herzsprung glänzend verkörperte und von Kamerafrau Judith Kaufmann in emotional packende Kinobilder gefasste Kammerspiel dreht sich um die Beziehung zwischen einer greisen Pianistin, die nach traumatischen Erlebnissen im "Dritten Reich" Strafgefangenen im Frauenknast Klavierstunden gibt, und einer musikalisch hochbegabten jungen Mörderin, die gegen den Widerstand der Anstaltsleitung an einem Konzertwettbewerb teilnehmen möchte. In ihrem Spielfilmdebüt
Auftauchen beobachtet Felicitas Korn bis in intimste Szenen hinein eine Fotografiestudentin auf ihrer mitunter verzweifelten Suche nach dem absoluten Leben. Als sie in einer Disco einen einige Jahre jüngeren Zivi kennen und lieben lernt, glaubt sie, endlich ihren Platz gefunden zu haben, doch die Beziehung scheitert an der Unreife des Mannes und ihrem eigenen Absolutheitsanspruch. Was hier zu einer sehenswerten Tour de force für die Hauptdarstellerin Henriette Heinze wird, ist in
Neandertal von Ingo Haeb und Jan-Christoph Glaser bereits in der Maske seines Protagonisten angelegt. Der 17-jährige Guido leidet an schwerer Neurodermitis, einer Hauterkrankung, die als körperlicher Ausdruck für eine mangelnde seelische Abgrenzungsfähigkeit erscheint. In nicht immer appetitlichen, dafür aber um so authentischer wirkenden Szenen erzählt der Film von der schwierigen Identitätssuche des Jugendlichen und seinem Ablösungsprozess von einem Elternhaus, dessen scheinbar heile Welt auf Lügen gebaut ist.
In einer Sondervorführung außerhalb des regulären Programms lief
Full Metal Village in ironischer Anspielung auf einen Film von Stanley Kubrick. Der 2006 bereits mit den Hessischen Film- und Kinopreis ausgezeichnete Dokumentarfilm der seit 1989 in Deutschland lebenden Südkoreanerin Sung-Hyung Cho thematisiert auf äußerst humorvolle Weise den kulturellen Unterschied zwischen den bäuerlich geprägten Bewohnern/innen der schleswig-holsteinischen Gemeinde Wacken und den jährlich aus der ganzen Welt zum Open Air-Konzert anreisenden Heavy-Metal-Fans, die den Ort berühmt gemacht haben. Liebevoll nähert sich die Koreanerin der ihr fremden bäuerlichen Kultur, porträtiert einige Familien bis in die dritte Generation hinein und tritt den Beweis an, wie sich gänzlich verschiedene Lebenswelten, in Frieden und von gegenseitiger Toleranz getragen, irgendwie doch vereinbaren lassen. ht
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