Vor zwanzig Jahren brachte die friedliche Revolution von 1989, die sogenannte Wende, das Ende der DDR, bereitete den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands und beschleunigte die Auflösung des Ostblocks. Von Anfang an wurde dieser epochale Umbruch medial begleitet. So sind die berührenden Fernsehbilder der geöffneten Grenze auch heute noch präsent und formen die kollektive Erinnerung an die erste euphorische Phase der friedlichen Revolution.
Am Rande der öffentlichen Wahrnehmung nahm sich auch das Kino recht unmittelbar der veränderten Situation an. Den meisten Filmen der Zeit während und nach der friedlichen Revolution gelang es allerdings nicht, aus dem Schatten der sich überstürzenden gesellschaftlichen Ereignisse herauszutreten und ein größeres Publikum zu erreichen. Wenig bekannt blieb Jürgen Böttchers Dokumentarfilm Die Mauer (DDR 1990), ein impressionistischer Streifzug entlang der Berliner Mauer kurz vor ihrem Abriss. In einer zufällig erscheinenden Montage beobachtet der ostdeutsche Künstler, wie die DDR mit jedem Tag mehr zur Geschichte wird. Doch auch der langwierige Prozess des Zusammenwachsens des wiedervereinten Deutschlands ist in diesen Stimmungsbildern und Projektionen bereits zu erahnen.
Kinofilme über die DDR und die Zeit nach der Öffnung der Mauer, ihre Tendenzen, Schwerpunkte und Sichtweisen stehen im Mittelpunkt des Kinofenster-Dossiers. Denn parallel zur politischen "Abwicklung" der DDR fand – meist wenig beachtet von einem potenziellen Publikum – ihre Rekonstruktion im Kino statt. Wie Böttcher waren es vor allem DEFA-Regisseurinnen und Regisseure, die sich aus der Binnenperspektive ihrer unmittelbaren Erfahrung kritisch mit den Verhältnissen im real existierenden Sozialismus auseinandersetzten.

Coming out (Progress Film-Verleih, © Wolfgang Fritsche)
Wäre ein Film wie
Die Architekten (DDR 1990) von Peter Kahane noch vor dem November 1989 in die Kinos gekommen, hätte er eine kleine Sensation ausgelöst. Aber in den Monaten nach der Maueröffnung ging er in den gesellschaftlichen Turbulenzen unter. Doch solche "vergessenen" Filme ermöglichen gerade einer jüngeren, westlich geprägten Generation einen weitaus authentischeren Einblick in Leben und Alltag der DDR als das populäre Erzählkino, das mit einem preisgekrönten Film wie
Das Leben der Anderen (Florian Henckel von Donnersmarck, D 2006) eine Authentizität behauptete, die es tatsächlich nicht besaß.
Auch bei der filmischen Reflexion der Situation im wiedervereinten Deutschland liegt der Blick auf dem Osten der Republik. Sowohl die fiktionale Aufbereitung als auch der Dokumentarfilm werden zum Medium der Bestandsaufnahme.

Uckermark
Filme von Andreas Dresen (
Willenbrock, D 2005), Christian Petzold (
Yella, D 2007), Thomas Heise (
Kinder wie die Zeit vergeht, D 2007) oder Volker Koepp (
Uckermark, D 2001) widmen sich drängenden sozialen Themen: Arbeitslosigkeit, Existenzängste, Neonazismus, mit dem "Aufbau Ost" verbundene Schwierigkeiten, Hinterfragungen des kapitalistischem Profitdenkens und Orientierungssuche. Es sind nüchterne, manchmal deprimierende, aber nicht grundsätzlich pessimistische Beschreibungen eines politischen Wandels und seiner Auswirkungen auf den Alltag und die Lebensentwürfe der betroffenen Menschen. Auch 19 Jahre nach der Wiedervereinigung, das macht dieses filmische Panorama deutlich, kämpfen viele um einen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Der tief greifende gesellschaftliche Umbruch, den die Öffnung der Mauer in Gang gesetzt hat – er ist noch lange nicht abgeschlossen.
Autor/in: Ula Brunner, freie Publizistin und Redakteurin bei kinofenster.de, 13.10.2009
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.