Um die Hochzeit ihres blaublütigen Stiefsohns mit der schönen Prinzessin Giselle zu vereiteln, ist der herrschsüchtigen Königin im Märchenland Andalasien kein Weg zu weit und kein Zauber zu schäbig – fürchtet sie doch um ihren Thron. Als alle Mittel versagen, stößt sie die Braut in einen tiefen Brunnen, der diese aus einer lustvoll überzeichneten Zuckerbäcker-Trickfilmwelt geradewegs in die harte Realität New Yorks befördert. Im weißen Brautkleid klettert Giselle aus der Kanalisation, sucht in einem aus Pappe gefertigten Reklameschloss vergeblich nach dem Weg zurück ins Märchenland und wird schließlich von einem Scheidungsanwalt und dessen kleiner Tochter aufgelesen. Während der alleinerziehende Vater überlegt, wie er die anscheinend unheilbar romantische Prinzessin elegant wieder los wird, erhält die Zeichentrick-Diaspora Zuwachs: Der Prinz eilt zur Rettung seiner verlorenen Braut herbei, und ein Gesandter der Königin ist ihm dabei dicht auf den Fersen.
Kevin Limas Komödie lebt vom Gegensatz der porträtierten Welten: Auf der einen Seite das süßliche animierte Märchenreich, in dem die ewige Liebe ganz selbstverständlich ist, auf der anderen Seite eine hektische Metropole mit rauen Umgangsformen und hoher Scheidungsrate. Über den Beruf ihres in allen Dingen auf Vernunft pochenden Gastgebers ist Giselle maßlos erstaunt und versucht bei der erstbesten Gelegenheit, einen von Roberts Klienten wieder mit seiner Gattin zu versöhnen. Umgekehrt kann sie dem Sprichwort "Drum prüfe, wer sich ewig bindet" durchaus etwas abgewinnen. So lernen in dieser märchenhaften Charakterkomödie – "Comedy of Manners" – beide Seiten voneinander, wobei natürlich vor allem die "kulturellen" Missverständnisse Wasser auf den Mühlen der Komik sind. Wenn der Prinz den Fernseher in seinem Hotelzimmer mit einem Zauberspiegel verwechselt, werden ganz nebenbei die Erzählkonventionen des Märchens zur Diskussion gestellt. Nicht zuletzt finden sich in der handgezeichneten Zauberwelt Andalasiens zahlreiche Reminiszenzen an Märchenklassiker wie
Schneewittchen oder
Dornröschen und Disney-Kenner/innen werden ihren Spaß daran haben, Figuren aus früheren Filmen wieder zu erkennen. Sehr schön lässt sich zudem gerade mit Heranwachsenden herausarbeiten, dass sich die romantische Idee der Liebe nicht ohne weiteres auf die Wirklichkeit übertragen lässt und auf den ersten gefühlvollen Überschwang unvermeidlich die häufig ernüchternde Erfahrung des alltäglichen Zusammenlebens folgt. Um dieses zu meistern, braucht es in der Regel beides: praktische Vernunft und den irrationalen Glauben an ein dauerhaftes Glück.
Autor/in: Michael Kohler, 18.12.2007
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