Inhalt
Kaschmir 1919: Ein Arzt verliebt sich in eine Patientin, sie werden ein Ehepaar. Was folgt, ist eine Familiengeschichte voller aberwitziger Momente, die auf einen Punkt zuläuft: Die Geburt des Enkels Saleem, genau um Mitternacht am 15. August 1947 in Bombay. Dies ist der Augenblick, in dem Indien unabhängig wird und so ist sein Leben fortan mit der Geschichte des Landes verknüpft. Gleichzeitig mit ihm kommt ein weiteres Baby auf die Welt, Shiva. Während der eine aus dem reichen muslimischen Elternhaus stammt, ist der andere Sohn von Bettlern und Hindus. Überzeugt davon, eine barmherzige und revolutionäre Tat zu begehen, vertauscht eine Nachtschwester die Neugeborenen. Damit besiegelt sie ihre Schicksale und verbindet sie untrennbar miteinander. In den unruhigen Zeiten der noch jungen Staaten Indien und Pakistan werden sie zu verbitterten Rivalen. Ihre Verbindung hat einen weiteren Grund: Alle Unabhängigkeitsnacht-Kinder haben übernatürliche Fähigkeiten und können auf magische Weise miteinander kommunizieren.
Umsetzung
Wie Salman Rushdie ist die indischstämmige, in Kanada lebende Regisseurin Deepa Mehta bekannt für ihre kritische Haltung gegenüber den gesellschaftlichen Strukturen in ihrem Heimatland. Auch sie wurde dafür aus konservativen Kreisen Indiens oft heftig angefeindet. Gleichzeitig sind sie beide tief in der indischen Kultur verwurzelt. Diese Mischung spiegelt sich deutlich in der Dramaturgie und Ästhetik des Films: Große Emotionalität, weitschweifiges Erzählen, ein Farbspektakel, viel Gesang und Musik (als typische Merkmale populärer indischer Filmkunst) und Magie (als Stilmittel Rushdies) treffen auf historische Fakten, einen unbestechlich realistischen Blick für Ungerechtigkeiten und engstirnige Traditionen und auf eine sanfte Ironie, die ebenfalls einer Distanzierung dient. Hierzu trägt außerdem bei, dass durchweg aus der Perspektive der Hauptfigur Saleem erzählt wird, einem unkonventionellen Charakter, der einen ganz besonderen Blick auf die Welt hat und unbeirrbar an seiner eigenen Sicht festhält.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Die Lebensgeschichten aller Protagonisten sind eng mit der Geschichte Indiens und Pakistans verwoben. So bietet der Film die Möglichkeit, etwas über zentrale politische Ereignisse, aber auch über die gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu erfahren. Dazu gehören zum Beispiel das Trauma der Trennung in zwei Staaten, die folgenden Kriege, die Nachwirkungen des Kolonialismus, die Zeit des nationalen Ausnahmezustands unter Indira Gandhi sowie die Vielfältigkeit an Religionen, die Schere zwischen Arm und Reich und die Unterdrückung von Frauen. Letzteres könnte besonders auf dem Hintergrund aktueller Geschehnisse in Indien Grundlage zu Diskussionen sein. Insgesamt kann Indien, als ein Land, über das gemessen an seiner Bedeutung hier oft zu wenig gewusst wird, in den Fokus zu rücken und ein Interesse gewerkt werden. Zudem bietet sich ein Vergleich des Films mit Auszügen des Romans an, mit dem Augenmerk auf die Frage: Wie gelingt es filmsprachlich, die zentralen Erzählmotive Rushdies umzusetzen?
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Lisa Gadatsch, 15.01.2013, Vision Kino 2013.