Der Dokumentarfilm
Unzertrennlich begleitet vier Familien durch ihren Alltag mit einem behinderten oder lebensverkürzt erkrankten Kind. Im Fokus stehen fünf verschiedene Geschwisterkinder, die selbst ohne Krankheit oder Behinderung leben: Eymen, Eray, Gustaf, Svea und Max. Alle befinden sich in unterschiedlichen Lebensphasen. Eymen und Eray ringen als jüngste Kinder mit ihrer schwerkranken Schwester Selin um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Der Teenager Gustaf übernimmt viel Verantwortung, indem er seine Mutter und seine behinderte Schwester Alma im Alltag unterstützt. Für Svea hingegen ist es wichtig, nach dem Abitur ihren eigenen Weg zu finden und sich nicht zu sehr von der Krebserkrankung ihres jüngeren Bruders einschränken zu lassen. Max fängt zusammen mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind einen neuen Lebensabschnitt an, nachdem seine Schwester Judith an einer Stoffwechselerkrankung verstarb.
Die Regisseurin Frauke Lodders lässt den Worten und Erfahrungen der Familien viel Raum. Der Film besteht aus einer ruhigen
Montage von
Einzelgesprächen mit den Geschwisterkindern in
Nahaufnahmen. Unterbrochen werden die Gespräche durch Alltagsszenen der Familien, sowie durch Statements der verschiedenen Eltern. Bemerkenswert ist, dass die Regisseurin auf jeglichen Fremdkommentar aus dem Off verzichtet. Alle Eindrücke schildern ausschließlich die Familienmitglieder selbst. Auch Schnitte verwendet der Film zurückhaltend. Auf diese Weise entstehen lange
Plansequenzen, die den natürlichen Momenten innerhalb der Familien folgen. Ebenso sparsam setzt die Regisseurin
Musik als Untermalung für emotionale
Szenen ein. Durch diese Reduzierungen erschafft die Dokumentation eine dichte Atmosphäre, die trotz des schwierigen Themas nur selten bedrückend wirkt. Während der Alltagsszenen hält die Kamera durch die Verwendung von vielen Halbtotalen immer einen respektvollen Abstand zu den Personen. Hinzu kommt, dass die gezeigten Szenen auch das Leben der Geschwister außerhalb der Familien einfangen. Der Film begleitet zum Beispiel Svea auf ein Metal-Konzert oder Max bei den Vorbereitungen für seine Reise.
Unzertrennlich, Trailer (© Mindjazz Pictures)
Unzertrennlich eignet sich besonders für den Einsatz in den Fächern Gemeinschaftskunde und Sozialkunde oder für den Ethik- und Religionsunterricht. Zu Beginn der Dokumentation nehmen die vorgestellten Kinder Stellung zum Begriff "Schattenkind". Auch die Schüler/-innen können sich einführend vor dem Film mit diesem Begriff auseinandersetzen und zum Beispiel Assoziationen dazu festhalten. Da
Unzertrennlich verschiedene Familien begleitet, bietet es sich an, die Situationen und die Reaktionen der Personen zu vergleichen. Ebenso ist es denkbar, dass im Biologieunterricht auf eine oder mehrere Krankheiten oder Behinderungen eingegangen wird. Für eine filmästhetische Analyse eignet sich vor allem ein Blick auf den Wechsel zwischen Nähe und Abstand. Hier lässt sich im Unterricht die Wirkung der verschiedenen Einstellungsgrößen thematisieren. Eine passende Fragestellung ist zum Beispiel: Wie unterscheidet sich eine Nahaufnahme von der Halbtotalen? Als praktische Übung können die Schüler/-innen ihre eigenen Beziehungen zu Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern im Kunstunterricht visualisieren.
Arbeitsblatt: Annäherung an den Film
Fächer: Sozialkunde/Gesellschaftskunde, Ethik, Politik ab Klasse 7
Vor dem Filmbesuch:
a) Die Geschwister von Menschen mit einer Behinderung oder einer lebensbedrohlichen Krankheit werden oft als "Schattenkinder" bezeichnet. Tauscht euch aus, woran ihr bei diesem Begriff denkt.
b)
Unzertrennlich ist ein Dokumentarfilm, der vier junge Menschen vorstellt, deren Geschwister behindert und/oder lebensbedrohlich erkrankt sind oder waren. Die Regisseurin Frauke Lodders sagt im Interview im Presseheft, dass sie selbst immer wieder erlebt habe, wie unterschiedliche Geschwisterkinder mit dieser schwierigen Situation umgehen und zeigen wollte, wie diese besondere Ausgangssituation Kinder und Jugendliche auf ihrem weiteren Lebensweg / in ihrer Identität / etc.? beeinflussen kann.
Versetzt euch in die Lage der Regisseurin und überlegt, wie ihr vorgehen könntet, wenn ihr über solche "Schattenkinder" einen Dokumentarfilm drehen möchtet. Geht dabei besonders auf folgende Aspekte ein:
• Wie würdet ihr vorgehen, um Mitwirkende für den Film zu finden?
• Wie kann man erreichen, dass wirklich die Geschwister und nicht die erkrankten oder behinderten Kinder und ihre Eltern im Mittelpunkt des Films stehen?
• Wie würdet ihr euren Film inhaltlich aufbauen und gestalten? Würdet ihr eher alltägliche Situationen mit der Kamera beobachten und/oder Interviews führen? Wie könnten die Interviews visuell umgesetzt werden und mit wem würdet ihr sprechen wollen?
• Wollt ihr nur selbst gedrehte Materialien oder auch privates Archivmaterial der Familien verwenden?
• Welche Art von
Musik möchtet ihr einsetzen? Stellt ihr euch euren Film mit oder ohne einen Off-Kommentar vor? Könnt ihr euch Situationen vorstellen, von denen ihr explizit keine
Szenen drehen möchtet?
Haltet das Ergebnis in einem maximal einseitigen Exposé (eine Art „Fahrplan“ für einen geplanten Film, in dem steht, worum es gehen und wie der Film gemacht werden soll) fest, in dem ihr euren geplanten Film skizziert.
Während des Filmbesuchs:
c) Vergleicht euer eigenes Exposé mit
Unzertrennlich von Frauke Lodders.
d) Achtet besonders darauf, wie im Film mit dem stilistischen Mittel der
Schärfentiefe gearbeitet wird. Welche Personen werden von der Kamera fokussiert? Wie arbeitet der Film mit
Vorder- und Hintergrund?
Nach dem Filmbesuch:
e) Tauscht euch in der Klasse zu folgenden Aspekten aus:
• Was hat euch im Film überrascht?
• Gab es etwas, das ihr nicht verstanden habt?
• Wo gab es Übereinstimmungen mit euren eigenen Annahmen aus Aufgabe c)?
• Wie hat der Film mit der Schärfentiefe, beziehungsweise mit Vorder- und Hintergrund gearbeitet?
• Findet ihr den Film gelungen? Begründet eure Entscheidung!
Findet Beispiele für besonders gelungene und aus eurer Sicht nicht so gut gelungene Regieentscheidungen.
Optional zur Vertiefung:
f) Lest euch als Vorbereitung für die weiteren Aufgabenschritte die Definition zum Dokumentarfilm durch.
g) Erinnert euch an die Szene, in der die vier Protagonist/-innen sich zu dem Begriff "Schattenkind" äußern . Fasst mit euren eigenen Worten zusammen, was sie sagen und wie sie den Begriff bewerten. Wenn ihr die Aufgabe a) gemacht habt, vergleicht eure Gedanken vor der Filmsichtung mit den Aussagen der Betroffenen und eurer Sichtweise nach der Sichtung. Sprecht im Plenum über die Stärken und Schwächen der Bezeichnung "Schattenkinder". Fallen euch andere Worte ein, die die Lebenssituation der Protagonist/-innen besser und ohne implizite Bewertung beschreiben? Hätte der Begriff "Schattenkind" auch ein Titel für den Film sein können? Begründet eure Meinung.
h) Solltet ihr den Titel des Films nicht angemessen finden, sucht gemeinsam nach einer Alternative. Wenn ihr euch für einen Titel entschieden habt, gestaltet in Kleingruppen eure Plakate und stellt eure Plakate und die dahinter liegenden Überlegungen euren Mitschülerinnen und Mitschülern vor!
Autor/in: Tanja Kollodzieyski (Filmbesprechung), Luc-Carolin Ziemann (Unterrichtsmaterial), 14.01.2019
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