Sie sei nicht mit einem Mann verheiratet, zitierte Simon Wiesenthal gerne seine Ehefrau, sondern mit sechs Millionen Toten. Auch so lässt sich das Lebenswerk des berühmten "Nazi-Jägers" charakterisieren, dem die Verpflichtung gegenüber den Opfern des Holocaust über sein eigenes Leben ging. Mehr als tausend Fälle untergetauchter Kriegsverbrecher recherchierte Wiesenthals Jüdisches Dokumentationszentrum im Laufe der Jahrzehnte, einen spektakulären Erfolg verzeichnete seine unermüdliche Suche im Fall Adolf Eichmanns, des Architekten der "Endlösung der Judenfrage". Eichmanns Ergreifung durch den israelischen Geheimdienst verschaffte Wiesenthal einen Bekanntheitsgrad, den er fortan für seine Sache einzusetzen wusste. Immer wieder mobilisierte er die Weltöffentlichkeit und bewegte neben lateinamerikanischen Diktaturen auch die Vereinigten Staaten dazu, gesuchte Nationalsozialisten an die deutschen Behörden auszuliefern. Naturgemäß machte sich Wiesenthal damit nicht nur Freunde - vor allem in seiner österreichischen Wahlheimat war er vielen Anfeindungen ausgesetzt.
Richard Trank rekonstruiert in seinem biografischen Dokumentarfilm zunächst die bewegende frühe Lebensgeschichte des säkularen Juden Simon Wiesenthal, der im ukrainischen Lvov als Architekt arbeitete, während des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen Arbeits- und Vernichtungslagern interniert war, bis er schließlich die Befreiung des österreichischen Konzentrationslagers Mauthausen mehr tot als lebendig erlebte. Auch die weiteren Stationen arbeitet Trank im steten Wechsel von aufgezeichneten Erinnerungen und historischen Dokumenten betont sachlich auf und lässt vor allem den Porträtierten Wiesenthal in Archivaufnahmen selbst zu Wort kommen. Mit großer Überzeugungskraft kommt Wiesenthal auf das Thema persönlicher und gesellschaftlicher Verantwortung zurück, auf die Notwendigkeit, sich der Vergangenheit zu erinnern, und insbesondere auf die Frage, warum bestimmte Verbrechen nicht verjähren können. Auf diese Weise bietet der Film auch Jugendlichen einen sehr authentischen Zugang zu einem wichtigen Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte.
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Autor/in: Michael Kohler, 01.11.2007