Der junge Bestsellerautor Calvin kämpft mit einer Schreibblockade und einem eintönigen Privatleben. Auf Rat seines Psychiaters schreibt er einfach drauflos, ohne Rücksicht auf Qualität, aber mit viel Elan. Mit der Romanfigur Ruby erfindet er seine Traumfrau, die eines Tages leibhaftig vor ihm steht: Aus der Fantasie wurde Wirklichkeit – das wird Calvin bewusst, als auch andere Menschen Ruby wahrnehmen. Ist die Frau eine Hochstaplerin oder ist er einfach verrückt geworden? Doch bald muss Calvin feststellen, dass seine literarische Schöpfung als reale Person auch einige Probleme macht. Seine Versuche, Ruby mit ein paar flüchtig hingeworfenen Sätzen umzuschreiben und so Konflikte in der Beziehung zu lösen, funktionierten zu seinem Leidwesen nicht. Als letzter Ausweg bleibt nur, sich von seiner Projektion zu lösen und Ruby somit freizugeben.
Mit dem Thema des Zwiespalts zwischen Realität und Fiktion widmet sich die hintersinnige Liebeskomödie zunächst klassischen Autorennöten: Die sparsame Inszenierung in kahlen Räumen versinnbildlicht eine einsame Schriftstellerexistenz, in der die
bunt gekleidete Ruby die nötigen Farbtupfer setzt. Auf
visuelle Effekte, um etwa Ruby als ein Traumbild kenntlich zu machen, wird weitgehend verzichtet. Stattdessen entspinnt sich eine auf der sichtbaren Oberfläche "normale" Romanze, deren komische Besonderheit darin liegt, dass die fleischgewordene Illusion auf Befehl Französisch spricht und auch sonst jeder charakterlichen Umwandlung Folge leistet – wenn auch nicht immer mit dem gewünschten Ergebnis. Dies erlaubt insbesondere der Hauptdarstellerin Zoe Kazan, sich immer wieder extravagant in Szene zu setzen. Dass Idee und Drehbuch von Kazan selbst stammen, ist für die Interpretation ihrer Figur nicht unerheblich.
Denn im Gewand einer Künstlerfantasie behandelt der Independentfilm durchaus alltägliche und oft bedrückende Probleme im Zusammenleben zweier Menschen. Nach dem antiken Pygmalion-Motiv betrachtet Calvin seine Traumfrau als Projektion eigener Sehnsüchte. Darunter leidet nicht nur Ruby, die sich gegen diese Vereinnahmung kaum wehren kann, sondern auch er selbst. Im Unterricht lässt sich diese ungezwungene Bündelung kultureller, geschlechtlicher, erotischer und insgesamt recht erwachsener Motive wohl nur begrenzt vermitteln, sie ist aber von der unmittelbaren Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern nicht weit entfernt. Denn auch in der digitalen Welt von Facebook und Co. wird es zunehmend wichtiger, die virtuelle Identität seines Gegenübers von dessen eigentlicher Persönlichkeit zu trennen – auch, um sich selbst vor falschen Illusionen zu schützen.
Autor/in: Philipp Bühler, 28.11.2012
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