Hanns Ludin war ein überzeugter Nationalsozialist und SA-Führer, der von Hitler zum bevollmächtigten Minister des Großdeutschen Reiches in der Slowakei benannt wurde und in dieser Funktion auch für die Deportation der Juden in Bratislava verantwortlich zeichnete. Als Kriegsverbrecher wurde er 1947 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ludin war aber auch der treusorgende Familienvater von sechs Kindern. Das Zweitjüngste, Malte, geboren 1942, ist der Regisseur dieses außergewöhnlichen Dokumentarfilms über die eigene Familie und die Schatten der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart hinein deutlich zu spüren sind. Erst nach dem Tod der Mutter 1997, die gleichwohl in mehreren Filmdokumenten und Interviews des Sohnes Auskunft über ihren Ehemann und die damalige Zeit gibt, wagte sich der Filmemacher an das schwierige Unterfangen, ehemalige Opfer seines Vaters zu besuchen, seine drei noch lebenden Schwestern mit der bekannten und doch nie ganz akzeptierten Wahrheit über den Vater zu konfrontieren, um so das Schweigen über die Vergangenheit endlich zu brechen. Was für Malte aus im Film leider nicht immer ganz überzeugenden beziehungsweise nur angedeuteten Gründen offenbar zum inneren Bedürfnis wird und ihn auf seinem Lebensweg bereits zum Politologen und Filmproduzenten machte, stößt bei den Schwestern weiterhin auf emotionalen Widerstand: Sie konnten den Verlust des geliebten Vaters, der zugleich ein Verbrecher war, nie ganz verwinden und einfach als Tatsache akzeptieren. Sie nehmen den Vater trotz belegbarer Fakten in Schutz, finden Entschuldigungsgründe für ihn, verharmlosen und behaupten steif und fest, damals habe doch niemand gewusst, was mit den Juden passieren würde. Etwas seltsam mutet das schon manchmal an, wenn Malte quasi zum Antagonisten seiner Schwestern wird, doch insgesamt wirkt das selbstkritische Familienporträt wie ein gemeinsamer mutiger Schritt zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Den Kindern der Täter wurde diese zur Lebensbürde, an der einige fast zerbrochen sind. Erst die dritte Generation, und auch das zeigt der Film, kann die Wahrheit ertragen.
Autor/in: Holger Twele, 01.04.2005