So hatte sich der Teenager Mary Katherine den Besuch bei ihrem Vater wirklich nicht vorgestellt. Anstatt sich für seine Tochter Zeit zu nehmen, beschäftigt sich Professor Bomba lieber mit seinem Forschungsprojekt: Er ist fest davon überzeugt, dass in dem Wald vor seinem Haus winzige menschenähnliche Wesen leben. Zu Gesicht bekommen hat er sie allerdings bislang nicht. Als Mary Katherine wieder enttäuscht abreisen möchte, landet jedoch eines jener Wesen direkt vor ihren Füßen und sorgt durch einen Zauber dafür, dass auch Mary Katherine auf ihre Größe schrumpft. Bald wird das junge Mädchen in dieser Miniaturwelt in eine große Schlacht verwickelt: Der Kampf wird von den in Blätter gehüllten Kriegern vom Volk der Leafmen gegen die furchteinflößenden insektenähnlichen Boggans und deren Spur der Verwüstung ausgetragen. Von seinem Ausgang hängt das Schicksal des Waldes ab.
Verblüffend detailgetreu sieht die Welt aus, in die der
computeranimierte Film sein Publikum entführt. Insbesondere die fotorealistische Lichtsetzung, die den Bildern oft eine mystische Stimmung verleiht, trägt zur Atmosphäre und Glaubwürdigkeit bei. Im Gegensatz zu vielen anderen 3D-Filmen weiß Epic Räumlichkeit und Tiefe zudem als erzählerisches Mittel einzusetzen und zugleich die Trägheit der dreidimensionalen Wahrnehmung im Kino zu berücksichtigen. So werden die Actionszenen nicht durch schnelle
Schnittwechsel, sondern durch lange
Kamerafahrten bestimmt, die die Zuschauenden dynamisch mit in das Geschehen auf der Leinwand einbinden. Handwerklich perfekt erzählt auf diese Weise
Epic von einem Kampf zwischen Gut und Böse. Dabei bleibt allerdings die differenzierte Charakterisierung oder Entwicklung der Figuren deutlich hinter der komplexen digitalen Darstellung zurück.
Gerade diese Einseitigkeit kann im Unterricht als Ausgangspunkt für ein Gespräch über typische Heldengeschichten sowie die (visuelle) Darstellung von "Guten" und "Schurken" in märchenhaften Geschichten dienen. Auch die Wirkung von 3D-Effekten kann in diesem Zusammenhang thematisiert werden. Interessanter als der zentrale Konflikt des Films sind jedoch Nebenhandlungen: Anhand mehrerer Figuren thematisiert
Epic etwa, wie (Ersatz-)Eltern und Kinder aneinander vorbeireden und zu Beginn nicht dazu in der Lage sind, aufeinander zuzugehen. Spannend kann darüber hinaus ein Vergleich mit dem Anime
Arrietty – Die wundersame Welt der Borger (Japan 2010) von Hiromasa Yonebayashi sein. Auch dieser erzählt von kleinen Wesen in der Welt der Menschen, verzichtet dabei jedoch vollkommen auf kriegerische Darstellungen. Nicht zuletzt bietet der Schutz der Natur, den der Film gerade durch die Figuren der Leafmen impliziert, Gesprächsstoff für den Unterricht.
Autor/in: Stefan Stiletto, 15.05.2013
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