Arbeitsblatt
Aufgabe 1: Ein Tagebuch verfilmen: über subjektives Erzählen im Film
In ihrem Tagebuch beschreibt und kommentiert die Autorin von
Eine Frau in Berlin ihre Gefühle und Gedanken. Untersuchen Sie, wie ihre subjektive Perspektive in Max Färberböcks gleichnamigem Film durch das Zusammenspiel von Text und Filmbildern erzeugt wird.
a) Legen Sie dar, aus welchen Motiven Anonyma Tagebuch über die letzten Kriegstage und die Befreiung führt. Welche Funktion hat das Schreiben für sie?
b) Tonebene: Untersuchen Sie den Einsatz des Voice-Over (Off-Ton) im Verhältnis zur Bildebene in der Anfangs- und Schlusssequenz. Welche Wirkung wird dadurch erzielt, dass das Bild der Stimme zeitlich nachgeordnet ist? Welche Funktion hat das Voice-Over?
c) Bildebene: Analysieren Sie die
Kameraführung in der Szene, in der die Protagonistin zu Beginn des Films bei einem Bombenangriff in den Bunker flüchtet. Untersuchen Sie, wessen Blick die Kamera verkörpert und welche Informationen über die Situation sie erfasst. Diskutieren Sie, welche Wirkung diese Kameraführung bei den Zuschauenden erzeugt.
d) Zusammenwirken von Bild- und Tonebene: Analysieren Sie die Sequenz, in welcher der Kriegsheimkehrer Herr Hoch Selbstmord begeht. Welche Funktion hat Anonymas Voice-Over hier? Welche erzählerische Wirkung entsteht durch das Zusammenspiel von Bild und Ton?
e) Auf die Filmszene, in der Anonyma für einen russischen Soldaten seinen Bericht über die Greueltaten der deutschen Wehrmacht an russischen Kindern übersetzt, folgt eine Szene, in der Anonyma draußen auf der Straße sitzt. Analysieren Sie, wie die
Kameraeinstellung sie und ihre Umgebung zeigt. Erklären Sie die Funktion und erzählerische Wirkung dieses filmischen Mittels.
Aufgabe 2: Figurengestaltung reflektieren
Bilden Sie drei Expertengruppen zu 1) den deutschen Frauen, 2) den russischen Soldaten, 3) den deutschen Männern. Teilen Sie innerhalb Ihrer Expertengruppe die Beobachtungsaufgaben für folgende Figuren unter sich auf:
1) Deutsche Frauen (Anonyma/Bärbel/Witwe/Ilse Hoch/Flüchtlingsmädchen)
2) Russische Soldaten/in (Der Major Andrej/Soldat mongolischer Herkunft/Anatol/Soldatin/Soldaten allgemein)
3) Deutsche Männer (Gerd, Eckhart, Herr Hoch, junger desertierter Wehrmachtssoldat)
a) Beobachten Sie während des Films Ihre Figur und deren Handlungsmotivation. Orientieren Sie sich dabei an folgenden Leitfragen: Was hat der Krieg für meine Figur bedeutet? Wie erlebt sie das Kriegsende? Welches Leid hat sie erfahren und wie geht sie damit um? Welche Wünsche, Hoffnungen und Ängste hat sie für die Zukunft? Erstellen Sie nach der Filmsichtung ein Kurzporträt Ihrer Figur in Form eines Steckbriefs in der Kleingruppe in der Ich-Perspektive. Präsentieren Sie diesen in der Expertengruppe.
b) Analysieren Sie die Beziehungen zwischen (A) den deutschen Frauen und den russischen Soldaten sowie (B) den deutschen Frauen und den deutschen Männern in je einem Standbild. Mischen Sie sich dazu neu und sammeln Sie sich in fünf Kleingruppen mit je mindestens einer/m Vertreter/in aus den drei Expertengruppen.
Teilen Sie folgende fünf Filmszenen untereinander auf:
Gruppe (A): A1) Begegnungen auf der Straße/ A2) Kellerszenen/ A3) Feierszene
Gruppe (B): B1) Rückblende Anonyma – Gerd/ B2) Gerds Rückkehr
c) Erarbeiten Sie nun in Ihrer Kleingruppe ein Standbild, das die Beziehungen zwischen den Figuren in Ihrer Filmszene darstellt. Begründen Sie auf einem Extrablatt Ihre Darstellungsweise. Denken Sie daran, dass Sie neben den Darstellern/innen mindestens eine/n Regisseur/in brauchen, der/die das Standbild modelliert.
d) Führen Sie Ihr Standbild im Plenum vor. Lassen Sie Ihre Mitschüler/innen beschreiben, welches Beziehungsverhältnis sie erkennen und in einem zweiten Schritt die Umsetzung des Machtverhältnisses im Standbild diskutieren. Wählen Sie zuvor eine/n Schriftführer/in, um die Ergebnisse aus dem Plenum festzuhalten. Fotografieren Sie – wenn möglich – die einzelnen Standbilder.
Aufgabe 3: Befreier oder Besatzer? Zur Darstellung der sowjetischen Alliierten im kollektiven Gedächtnis der Deutschen
a) Schließen Sie sich einer von zwei Expertengroßgruppen für die Projektarbeit an.
- Gruppe 1: Führen Sie eine Umfrage im öffentlichen Raum (Straße, Veranstaltungen) durch, in der Sie die Interviewpartner/innen zu Ihrem Bild der sowjetischen Alliierten befragen. Nehmen Sie die Antworten auf Tonband auf.
- Gruppe 2: Besuchen Sie in Kleingruppen ein Archiv mit Berliner Zeitungen. Recherchieren Sie, wie die sowjetischen Alliierten im Jahr 1945 dargestellt wurden. Finden Sie auch heraus, welches politische Ausrichtung die Zeitungen haben, aus denen Sie zitieren.
b) Veranstalten Sie eine Pressekonferenz für Ihre Nachbarklasse, auf der beide Gruppen Ihre Ergebnisse in einer Präsentation vorstellen.
Aufgabe 4: Filmästhetik untersuchen: Die Repräsentation der sowjetischen Soldaten im Film
a) Sammeln Sie nach der Filmsichtung im Plenum erste Eindrücke. Beschreiben Sie, wie die sowjetischen Soldaten im Film auf Sie gewirkt haben und welche Gefühle sie bei Ihnen ausgelöst haben.
b) Untersuchen Sie anschließend gemeinsam die Darstellung der sowjetischen Soldaten. Achten sie dabei auf die verwendeten
Einstellungsgrößen und die
Kameraperspektiven sowie auf
Farbgestaltung und die Beleuchtung. Gibt es Unterschiede in der Ausleuchtung von russischen Soldaten und Frauen? Werden diese aus der gleichen Perspektive gezeigt?
c) Beschreiben Sie die folgenden Szenen und analysieren Sie, wie die sowjetischen Soldaten durch filmsprachliche Mittel indirekt charakterisiert werden. Untersuchen Sie, ob – und wenn ja, inwiefern – sich ihre Darstellungsweise im Laufe des Films ändert:
- Einmarsch der Soldaten in die Straße; besonders: einfahrender Panzer (Einstellungsgrößen, Perspektive)
- Szene im Keller, in der Frauen sich versteckt halten (Einstellungsgrößen, Licht)
- Szene, in der Anonyma vergewaltigt und bespuckt wird (Licht)
- Szene, als Anonyma das erste Mal auf den Major Andrej trifft und sich über das Verhalten der Soldaten beschwert (Perspektive, Setting)
- Freude auf der Straße nach der Kapitulation der Deutschen; Kranfahrt entlang der singenden Soldaten (Farbe; Beleuchtung)
- Partyszene: Aufforderung zum Tanz (Kameraführung)
- Der Morgen nach der ersten Liebesnacht zwischen Anonyma und dem Major Andrej (Einstellungsgrößen, Licht)
Aufgabe 5: Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung gegen Zivilisten/innen im Licht internationaler Rechtssprechung
Ordnen Sie sich einer Expertengruppe zu den unten angeführten Themen zu. Erarbeiten Sie eine Gruppenpräsentation, die durch ein Lernposter oder eine Power-Point-Präsentation unterstützt wird:
- Thema 1: Gewalt gegen Frauen im Krieg – (k)ein neues Phänomen männlicher Kriegsführung? Über historische Kriege und rechtliche Grundlagen zum Schutz von Frauen.
- Thema 2: Was steckt hinter der Gewalt? Theorien über den Zusammenhang von Geschlechterverhältnis, Macht, Gewalt und Krieg.
- Thema 3: Der Umgang der internationalen Justiz mit Vergewaltigungen als gezielte Kriegsführung gegen die weibliche Zivilbevölkerung
- Thema 4: "Für euch sind das nur ein paar Minuten" (Major Andrej zu Anonyma). Zu den psycho-sozialen Konsequenzen von Vergewaltigungen im Krieg.
- Thema 5: Geschlechtsspezifische Gewalt und Vergewaltigung als Asylgrund? Welche Regelungen und Möglichkeiten bietet das deutsche Asylrecht den Betroffenen (Fallbeispiele).
Aufgabe 6: Die psychischen Auswirkungen von Extremsituationen reflektieren
"Der Krieg verändert die Worte. Liebe ist nicht das, was es mal war", sagt Anonyma zu Major Andrej. Erklären Sie Anonymas Aussage in einem Tagebucheintrag, einem Brief, einem Gedicht oder einem Rap-Song.
Autor/in: Tanja Seider, Lehrerin für Geschichte, Politik und Deutsch, 25.09.2008
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