Wenn Truman Burbank das Haus verlässt, um zu seiner Arbeit bei einer Versicherung zu fahren, erwacht die auf einer Insel gelegene Kleinstadt Seahaven zum Leben. Seine Frau Meryl preist ihm das Frühstück wie in einem Werbespot an, die Nachbarn erwarten die gut gelaunten morgendlichen Grüße Trumans: "Guten Morgen, und falls wir uns nicht mehr sehen, guten Nachmittag, guten Abend und gute Nacht", sein bevorzugter Klassik-Sender hält ihn im Autoradio bei Laune, und der Zeitungshändler kennt bereits seine Wünsche. Alles scheint perfekt im Leben dieses jungen Mannes. Wirklich alles? Nein, Trumans Vater ist ertrunken, als er mit seinem Sohn bei Sturm segeln war. Seit diesem traumatischen Kindheitserlebnis scheut Truman das Wasser. Nur einen Traum hat er: Fidschi. Dorthin möchte er reisen, denn dort vermutet er Lauren, die Frau, die ihn vor den Menschen in seiner Umgebung gewarnt hatte. Tatsächlich mehren sich merkwürdige Vorfälle in Trumans Umgebung: Ein Scheinwerfer fällt vom Himmel, ein Regenschauer näßt nur ihn, im Autoradio hört er, wie seine Fahrt kommentiert wird, sein totgeglaubter Vater erscheint kurz vor seinem Büro, und ein Flugticket nach Fidschi gibt es auch nicht. Nur seinem Freund Marlon vertraut Truman seine Zweifel an, doch der kann ihn beruhigen. Was Truman nicht weiß: Seit seiner Geburt ist er der Held einer rund um die Uhr ausgestrahlten Fernsehserie, in der sein Leben live in 120 Staaten übertragen wird. Milliarden Zuschauer verfolgen seit 30 Jahren täglich sein Leben auf dem Bildschirm. Alle Menschen in seiner Umgebung sind Schauspieler oder Komparsen; Seahaven ist ein gigantisches Studio, in dessen Kommandozentrale Christof regiert. Er ist Schöpfer und Regisseur der "Truman Show", die von 5000 Kameras mit Bildern versorgt wird. Als Truman plötzlich verschwunden ist, beginnt eine hektische Suche nach ihm, schließlich muss die Show weitergehen. Aber Truman ist fest entschlossen, die Grenzen seiner Welt zu erkunden – und zu überschreiten.
Peter Weir inszeniert
Die Truman Show als zunächst harmlosen Reigen von Bildern eines idyllischen Kleinstadtlebens mit einem zufriedenen, wenn auch nicht ganz glücklichen Helden. Die Hinweise auf die Künstlichkeit des Lebens in Seahaven werden nicht als psychisch bedrohliche Situationen für den Helden dargeboten, sondern als komödiantische, slapstickartige Elemente. Die Frage nach der Wirklichkeit, die uns umgibt, bekommt so keine paranoiden Züge. Sie wird ihrer Normalität nicht beraubt. Statt dessen werden die komischen Seiten einer inszenierten und damit auch manipulierten Wirklichkeit gezeigt. Das geht natürlich nicht ohne die Thematisierung von Moral und Ethik, die Weir aus verschiedenen Blickwinkeln vornimmt. Zugleich präsentiert er nicht nur den Voyeurismus der Medien, sondern auch den der Zuschauer, die ohne ihre Fernsehhelden scheinbar nicht mehr leben können. Dies setzt Weir auch visuell um, denn im ersten Teil des Films beobachten wir als Kinozuschauer den Helden durch die Kameras der Fernsehshow. Hier findet bereits ein Spiel mit der doppelten Wirklichkeit statt. Die Kinozuschauer werden in die Position der fiktiven Fernsehzuschauer der "Truman Show" gebracht. Die Zweifel des Helden werden zu ihren Zweifeln, und erst als der Held aus dem Bildraum von Seahaven verschwindet, von keiner Kamera der Show mehr aufzufinden ist, führen Regisseur Peter Weir und Drehbuchautor Andrew Niccol die reflexive Ebene der Beobachtung der Beobachter ein. Aus dem komödiantischen Spiel mit der Wirklichkeit wird Ernst, der mit ethischen und moralischen Fragen verbunden ist. Dass der Film nun nicht verliert und ins moralische Lamentieren abdriftet, liegt an der Spannung, die um den Helden aufgebaut wird, der seine Ketten sprengen will.
Weir und Niccol greifen Ängste der Menschen vor Überwachung und grenzenloser Beobachtung ebenso auf wie die Angst vor dem Verlust des Vertrauens in die alltägliche Wirklichkeit. Man mag dem Film vorwerfen, dass er nicht kritisch genug mit der Manipulations- und Überwachungskapazität der Medien umgeht, doch liegt seine Stärke gerade im spielerischen Umgang mit dem Thema. Denn eine endgültige Wahrheit und Wirklichkeitsdefinition gibt es nicht. Wirklich ist das, was der Mensch wahrnimmt. Das gilt auch für den Helden der "Truman Show", denn auch wenn er die Grenzen seiner bisherigen Welt überwindet, landet er doch wieder nur in einer anderen Wirklichkeit seiner Wahrnehmung. Angesichts dieser Möglichkeit selbstbestimmten Handelns für Truman bleibt die Frage, ob er es im Gegensatz zu den Schauspielern, die 30 Jahre lang mit ihm rund um die Uhr in einer TV-Show das Leben teilen mussten, nicht doch besser getroffen hat. Der Film zeigt, dass Wirklichkeit eine Frage der Perspektive ist. In Zeiten, in denen sich Menschen selbst von Kameras beobachten lassen und diese Bilder ins Internet stellen, geht es längst nicht mehr um die Macht der Medien, sondern um die Macht über die Medien.
Autor/in: Lothar Mikos, 01.11.1998